Das (politische) Kreuz mit dem Kreuz
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,
Das ist nur konsequent!
Herr, lass Dein Wort unser Herz berühren und unser Handeln leiten. Amen.
Verhetzung
Wir hörten eben den Bericht einer politischen Verhandlung. Ich möchte an dieser Stelle herausstreichen, dass es nicht die Juden waren, die hier den Tod Jesu‘ forderten, sondern einige Vertreter der jüdischen Obrigkeit, die Teile des Volkes aufhetzten. Am Ende dieser Verhandlung, dieser Farce, steht der Tod des Königs der Juden. Der nichts anderes als Liebe und Wahrheit wollte. Man könnte auch sagen: Am Ende stehen der Tod von Liebe und Wahrheit. Doch die Rechnung wurde ohne den Wirt gemacht.
Wahrheit?
Jesus selbst bestätigte im Verhör des Pilatus, dass er ein König sei, allerdings ein König eines Reiches, das nicht von dieser Welt war. Ein König, dessen politischer Auftrag es war, die Wahrheit in die Welt zu tragen, wie er in Vers 37 bekennt. In der Tradition der philosophisch geprägten Antike antwortet Pilatus, wie es auch heute noch oft der Fall ist: „Was ist schon Wahrheit“. Etwas, das gerade in der Politik oft nur mit dem Mikroskop zu suchen und nicht immer zu finden ist.
Politische Figur
- Da ist einmal der vertikale Balken, also der, der nach oben, zu Gott weist. Er symbolisiert die religiöse Bedeutung des Kreuzes, unser Verhältnis zu Gott, das z.B. auch in den ersten drei Geboten zum Ausdruck kommt.
- Und dann gibt es noch den horizontalen Balken, der auf unser Verhältnis hier auf und in dieser Welt hindeutet. Den Umgang den wir miteinander haben und pflegen. Wenn man so will, die Gebote 4 bis 10. Genau dieser vertikale Balken symbolisiert die politische Dimension, auch und gerade im Handeln des unscheinbaren Zimmermanns aus der galiläischen Provinz.
Politische Dimension
Diese politische Dimension ist in diesen Tagen aktueller denn je. Staat und Religion waren zur Zeit Jesu und selbst bis noch nicht vor allzu langer Zeit auch bei uns, untrennbar miteinander verbunden. Die Trennung, die für uns heute – glücklicherweise – ganz normal ist, wäre für Menschen vergangener Jahrhunderte vollkommen fremd gewesen. Sie hätten einfach nichts damit anzufangen gewusst.
Die beiden Balken des Kreuzes
Dieser Kreuzungspunkt, diese Entscheidung des Einzelnen für den einen oder anderen Weg, der wird meist an den Stellen sein, wo Leben gefährdet ist und wir solidarisch für andere einzutreten haben. Wir tun das nicht aus uns selbst heraus, sondern in der Nachfolge dessen, der bis in den Tod hinein für diese lebensbejahende Liebe eingetreten ist. Dieses Einstehen ist die wah-re Nachfolge, zu der uns unser Herr aufgefordert hat!
"Widerliche" Ideologien
Und heute sind wir wieder gefordert, mehr denn je in unserer Generation. Gerade in der vergangenen Woche haben wir gesehen, wie verbreitet – um mit dem Kanzler zu sprechen – „widerliche“ Ideologien wieder sind. Da sagt doch glatt der Vizebürgermeister der 2.-größten Stadt dieses Landes, dass er an den Identitären nichts Anstößiges finden kann, er keinen Grund sähe, sich von ihnen zu distanzieren. Diese Gruppe, die nichts anderes als eine Apartheid – als eine strikte Rassentrennung – einführen will, die wohl nur mit Gewaltmitteln erreicht werden kann, droht salonfähig zu werden. Nelson Mandela schau runter! Denn die 2. Regierungspartei hat ganz offensichtlich und entgegen offenkundiger Bestätigungen, keinerlei Berührungsängste mit ihnen. Hinzukommt, dass diejenigen Instrumente des Staates, die uns vor solchen extremisti-schen Bedrohungen schützen sollen, der Staatsschutz und die Geheimdienste, in der Hand eines Mannes sind, der mit den Identitären offen sympathisiert. Nicht einmal Drehbuchautoren könnten die österreichische Realität des Jahres 2019 erfinden!
Identitäre in Voitsberg
Wir haben natürlich eine Anzeige bei der Polizei gemacht. Im Wissen, dass es nichts bringen wird, aber in der Hoffnung, dass es dereinst einer der Wassertropfen sein wird, der das Glas der Gerechtigkeit zum Überlaufen bringen wird. Man sieht, die Ideen und Sympathisanten dieser Gruppe sind verbreiteter als man gemeinhin meint. Und Menschen, die dies tolerieren, die sich nicht distanzieren und sie gar in die inneren Machtzirkel unserer Demokratie lassen, sind gefährlich, wie der Rat um Kaiafas vor 2.000 Jahren.
Stimme erheben!
Die politische Dimension des Christentums! Es ist Zeit, die Stimme zu erheben. Es geht längst nicht mehr darum, der Anfänge zu währen, es geht bereits vielmehr darum, dem Ganzen ein Ende zu setzen. Wolfgang Fellner, der Herausgeber der Zeitung „Österreich“ hat diese Woche den Sprecher der Identitären auf oe24.tv interviewt und ihm – polemisch untergriffig, aber durchaus zu Recht – vorgeworfen, dass er die Menschen in diesem Land „aufhussen“ wolle (bei Minute 25:48). Das wird dieser kleinen Gruppe an sich nicht gelingen, aber durch ihre Verbindungen zum Junior-Kollationspartner ist sie einflussreicher als die Anzahl der Aktivisten aussagt.
Eine einfache Methode
Die Methode ist immer die gleiche: Das Volk wird aufgehetzt – wie es auch die Obrigkeit vor 2.000 Jahren in Jerusalem getan hat – dann versucht man alles auf Basis der Gesetze und mit Druck der nun „Mehrheitsmeinung“ zu regeln – sie gingen zu Pilatus, denn die Todesstrafe durften sie ja nicht verhängen – um schließlich ihre Ziele zu erreichen. Demaskierend ist ja auch, dass sie den Mann, der zeitlebens nur Gutes getan hat und dessen Rede einzig die von der Lie-be war, diesen Mann haben sie gegen einen anerkannten Gewaltverbrecher „eingetauscht“.
Minderheitenschutz – ein Fremdwort?
Zu allem Überdruss spielt man dann noch die Mehrheit gegen die Minderheit aus – die Jünger Jesu waren damals noch recht wenige – und projiziert alles Negative auf sie. Im Verkauf nutzt man z.B. den psychologischen Trick, vom Kunden möglichst viele „Ja“ einzuholen, bevor man die entscheidende Frage, ob er nun das Produkt kaufen oder den Vertrag unterschrieben will, zu stellen. Die Psychologie dahinter ist, dass der Kunde zu dem Zeitpunkt das Ja-sagen schon so eingeübt hat, dass er gar nicht mehr nein sagen kann. Auf Minderheiten einzuschlagen, ihnen Rechte vorzuenthalten, ihnen etwas wegzunehmen … da kommt von vielen ein „ja“, bestenfalls ein „Mir wurscht“, „Betrifft mi eh net“ oder gar „Den Spinnern geschieht es schon recht.“ Oder man beschäftigt sich eher mit zentralen Fragen wie den Aussagen eines B-Promi-Tänzers in einer Tanzshow im Fernsehen. Schließlich wird das dann schön in einen demokratischen Deckmantel „Ja, was sollen wir machen, es ist der Wählerwille, die Mehrheit hat so entschieden“ verpackt. Klar, Demokratie ist die Machtausübung der Mehrheit über die Minderheit. Aber mit der Einschränkung, dass man auf die Minderheit achtgibt, ihre Rechte schützt, sie nicht unterdrückt und gar ihrer Rechte beraubt. Beachtet man das nicht, sind das Zeichen einer Demokratie, die den Namen nicht verdient, wie es z.B. die Volksdemokratien des Ostblocks waren. Aber keine Sorge die Zeit ist schon zu weit vorgerückt. An dieser Stelle kommt nun kein Exkurs zur Karfreitagsentscheidung der Bundesregierung.
Martin Niemöller
Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte."