Der Weg Gottes – der Weg der Liebe
18. Juni 2017

Der Weg Gottes – der Weg der Liebe

Passage: 1. Johannes 4,16b–19
Dienstart:

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

 

ich will heute mit ihnen über die Liebe sprechen. Keine Sorge, das wird keine kitschige Angelegenheit mit Herzballons und dergleichen. Liebe ist in der Tat das, was einen Christenmenschen auszeichnet. Schon Paulus benennt in 1Kor 13 als Kardinaltugenden Glaube, Liebe und Hoffnung, wobei die Liebe die größte sei. Und Jesus nennt die Liebe als das größte, ja das einzige Gebot. Die Liebe zu Gott, zu mir selbst und zu meinem Nächsten. Auch zu meinem Feind, ein weiteres typisch und meines Wissens nach nur im Christentum vorkommendes Element.

 

Es gibt ein recht satirisches und lustiges Buch, das heißt die „Bibel nach Biff“. Es ist untertitelt mit „Die wilden Jugendjahre von Jesus, erzählt von seinem besten Freund“ Darin werden die fehlenden Kapitel der Bibel erzählt. Von einem Jugendfreund Jesu. Dieses Buch bringt die Aussagen Jesu auf den Punkt: Habt euch lieb. Und zwar im Imperativ, also in der Befehlsform: Habt euch lieb!

 

Funktioniert das? Habt euch lieb! Liebt euch! Jetzt! Fangt an! Ohne Umschweife! Sofort! …

Hat es funktioniert? Ich denke nicht, denn Liebe ist ein Gefühl, ich meine sogar das stärkste Gefühl, das der Mensch haben kann. Wie ich schon bei meiner letzten Predigt ausführte: Liebe ist als Gefühl so stark, dass Menschen dafür bis zum Letzten gehen und dafür auch töten. Oder zu sterben, wie es auch die Apostel und Propheten getan haben.

 

Wollen wir mal versuchen zu hinterfragen, was es mit der Liebe auf sich hat. Liebe ist ja so ein Begriff, den jeder kennt aber kaum einer definieren kann. Das Lexikon sagt uns „Liebe ist im Allgemeinen die Bezeichnung für die stärkste Zuneigung und Wertschätzung, die ein Mensch einem anderen entgegenzubringen in der Lage ist.“ Also ist Liebe ein Gefühl der Zuneigung und Wertschätzung.

 

Im Duden finden wir vier Definitionen von Liebe:

  1. Liebe ist ein starkes Gefühl des Hingezogenseins oder der Zuneigung zu einem [nahestehenden] Menschen
  2. Liebe ist eine auf starker körperlicher, geistiger, seelischer Anziehung beruhende Bindung an einen bestimmten Menschen, verbunden mit dem Wunsch nach Zusammensein, Hingabe o. Ä.
  3. Liebe ist sexueller Kontakt, Verkehr
  4. Liebe ist eine gefühlsbetonte Beziehung zu einer Sache, Idee o. Ä.

 

Das ist irgendwie verflixt. Was ist mit Liebe also gemeint? Der Wunsch einem anderen Menschen nahe zu sein, eine Anziehung, der Wunsch nach sexuellem Kontakt oder eine Beziehung zu einem anderen Menschen? Was gemeint ist, erkennt man im Deutschen nur am Kontext bzw. am Adjektiv vor dem Wort Liebe. Und das ist immer missverständlich. Also alles sehr tückisch.

 

Ich für meinen Teil, wenn ich wissen will, wie z.B. etwas Zwischenmenschliches gemeint ist sehe ich im Stichwortverzeichnis meiner Bibel nach um die betreffenden Stellen in der Schrift zu finden. Denn die Bibel ist ja DAS Buch der Weisheit, wo Generationen von Menschen ihre Geschichten aufgeschrieben haben und das mir selbstverständlich auch heute im 21. Jh. noch Tipps für ein gelingendes Leben gibt.

 

Das NT ist in griechisch geschrieben. Die Griechen haben es ein wenig leichter mit dem Verständnis von Liebe, da sie für Liebe nicht nur ein Wort haben, sondern mehrere Wörter für die je unterschiedlichen Bedeutungen.

 

Da haben wir z.B. die

  1. Philía: Sie bezeichnet die Freundesliebe, die Liebe auf Gegenseitigkeit, die gegenseitige Anerkennung und das gegenseitige Verstehen. Wenn ich also einen Freund liebe, dann habe ich philía zu ihm. Im Deutschen entspricht das in etwa der platonischen Liebe.
  2. Zélos: das ist die brennende Liebe, die auch in Eifersucht umschlagen kann. Daraus hat sich im englischen das Wort für Eifersucht, jealousy, entwickelt.
  3. Mit kyróowird die Liebe bezeichnet, die man einem Anderen gegenüber erweist, also sozusagen die Liebesdienste.
  4. Mit splagchnawird die Liebe oder Zuneigung, das Mitgefühl, also die Barmherzigkeit Gottes bezeichnet
  5. Mit den letzten dreien können wir, denke ich mal, nicht so viel anfangen. Diese Wörter sind uns eher unbekannt. Bekannter ist aber schon ein anderer Ausdruck für Liebe, nämlich der des éros. Damit wird die sinnlich-erotische Liebe bezeichnet, also die Liebe, die unsere Körpersäfte sprichwörtlich in Wallungen bringt.
  6. Und schließlich gibt es noch die agápe; ein Wort, das wir mit Essen in Beziehung bringen. Aber in der Tat ist agápe im Griechischen die Bezeichnung für die selbstlose und fördernde Liebe. Auch die Nächsten- und die Feindesliebe hat dieses Wort im Blick.

 

Diese agápe, diese selbstlose und fördernde Liebe, ist es, von der im heutigen Predigttext, zu finden in 1Joh 4,16b–19, die Sprache ist:

 

16b Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.

17 Darin ist die Liebe bei uns vollendet, auf dass wir die Freiheit haben, zu reden am Tag des Gerichts; denn wie er ist, so sind auch wir in dieser Welt.

18 Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus. Denn die Furcht rechnet mit Strafe; wer sich aber fürchtet, der ist nicht vollkommen in der Liebe.

19 Lasst uns lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.

20 Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, der kann nicht Gott lieben, den er nicht sieht.

21 Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.

 

Herr, gib uns ein Herz für Dein Wort und lass es in unserem Herzen Eingang finden und unser Denken und Handeln bestimmen. Amen.

 

Gott ist Liebe, auf Griechisch Ὁ θεὸς ἀγάπη ἐστίνund alle anderen Stellen sprechen auch von der agápe. Wenn wir das also umsetzen, so bedeutet das: „Gott ist die selbstlose und förderndeLiebe; und wer in der selbstlosen und fördernden Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Und so weiter. Ich lade sie ein, den Sonntagsgruß mit nach Hause zu nehmen und im Text überall Liebe durch „selbstlose und fördernde Liebe“ zu übersetzen.

 

Das ist nicht unwichtig, denn aus dem Text erfahren wir, dass wir durch diese selbstlose und fördernde Liebe

  • Freiheit erhalten
  • furchtlos leben können
  • frei von Lügen
  • und in Summe alle zusammen besser leben werden

Das klingt schon fast nach Paradies, oder? Oder anders ausgedrückt: Nach dem Reich Gottes. Und das ist es ja, nachdem wir streben sollen! Was hält uns also auf? Los jetzt, habt euch lieb!

 

Funktioniert es schon? Noch immer nicht?! Nun, klar, denn Liebe ist eben in erster Linie ein Gefühl. Und Gefühle kann man nicht befehlen. Gefühle und Imperativ gehen nicht zusammen. Gefühle kann an auch nicht verordnen. Sogar umgekehrt. Wenn ich negative Gefühle habe, dann kann ich nur schwer gegen sie ankämpfen. Diesen Kampf werde ich sogar verlieren, wenn ich keine rechte Richtschnur habe, an der ich mich orientieren kann.

 

Gefühle kann ich aber entwickeln, wenn mir ein positives Beispiel erleben durfte. Nehmen wir einmal einen konkreten Fall:

 

Vor einiger Zeit habe ich ein seelsorgerliches Gespräch mit einem jungen Menschen geführt, der völlig verzweifelt war wegen seiner oder ihrer homosexuellen Neigungen. Dieser Mensch hat es mit dem anderen Geschlecht versucht, aber es hat nicht geklappt. „Gott wird mich bestrafen“ sagte mir dieser Mensch, „denn im AT findet man genug Stellen, die gegen Homosexuelle gerichtet sind.“ Das ist richtig. Gottes Plan ist sicherlich nicht, dass wir homosexuell werden. Würden das alle werden, würden die Menschen in kürzester Zeit wohl aussterben. Aber, dem steht ganz eindeutig 1Kor 16,14 entgegen: „Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen!“ Als Kinder Gottes sind wir so geschaffen, wie wir sind. Mit all unseren Stärken und Schwächen. So wie wir sind, ob dick oder dünn, groß oder klein, dumm oder klug, hässlich oder bildschön, homo- oder heterosexuell. Wir alle sind Kinder Gottes. Er und niemand anderer, hat uns so gemacht und vor allem so gewollt. Daher kann dieser junge Mensch auch seine Neigungen akzeptieren, solange er sie in Liebe lebt.

 

Gott sagt uns zu, dass wir gut sind. Und zwar so, wie wir sind. Er will nur eines von uns: Es soll alles, was wir tun, in der Liebe geschehen. Denn wenn wir die Liebe zu unserer Lebensmaxime machen, dann bleiben wir in Gott und Gott bleibt in uns. Das haben wir eben im Predigttext gehört.

Ich glaube, diese neue Perspektive hat diesem Menschen sehr geholfen, jedenfalls ist er oder sie nicht mehr so betrübt und hat Frieden mit sich selbst und mit Gott gefunden. Sie oder er weiß nun, dass Gott nicht zum Bestrafen da ist. Gott ist Liebe. Punkt. Nicht mehr und nicht weniger.

 

Durch dieses neue Gefühl des Angenommenseins, kann er oder sie auch wieder Liebe zu sich selbst entwickeln. Eine Grundbedingung, um andere Menschen zu lieben. Der Start zur Entwicklung eines Gefühls.

 

Sowohl im AT als auch im NT erfahren wir, dass wir unseren Nächsten lieben sollen, wie uns selbst. Wenn ich die Liebe zu mir selbst, also die agápe zu mir selbst, nicht habe, wenn ich den Menschen, den ich am allerbesten kenne, nämlich mich selbst, nicht liebe … ja wie zum Kuckuck soll ich dann einen anderen Menschen, den ich niemals so gut kennen kann, lieben? So kann man auch das Wort aus der Bergpredigt interpretieren: „Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?“ Um andere Menschen lieben zu können, muss ich also vor meiner eigenen Haustüre zu kehren anfangen und alle die negativen Gefühle in mir selbst und gegen mich selbst wegkehren.

 

Martin Luther drückte es in seinem Paradoxon in der Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ ganz großartig aus:

Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan – im Glauben. Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan – in der Liebe.

 

Diese Freiheit ist die evangelische Freiheit. Wir sind frei zu glauben und nichts Seiendes als alternativlos hinzunehmen. Und dennoch sind wir dienstbare Knechte, wenn es um die Liebe geht, um die Nächstenliebe, um die agápe.

 

Als Gefühl muss sich diese Liebe aber entwickeln. Dies tut sie, wenn ich mir bewusst bin, dass alle Menschen, also auch und zuvorderst ich mit all meinen Schwächen von Gott genau so gewollt ist. Und das gilt natürlich auch für den Menschen, der mir zutiefst unsympathisch ist.

Wichtig ist auch anzuerkennen, dass jeder Mensch autonom handelt, ja handeln soll. Autonomie ist auch so ein griechisches Wort und bedeutet Selbstbestimmtheit oder Unabhängigkeit. Jeder Mensch soll seine Entscheidungen treffen, mir steht es nicht zu, diese Entscheidungen zu bewerten, zu beurteilen oder so gar zu verurteilen. So lesen wir es auch in Lk 6,37 „Und richtet nicht, so werdet ihr auch nicht gerichtet. Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt. Vergebt, so wird euch vergeben.“ Und weiters in Röm 14,13: „Darum lasst uns nicht mehr einer den andern richten; sondern richtet vielmehr darauf euren Sinn, dass niemand seinem Bruder einen Anstoß oder Ärgernis bereite“.

 

Es ist dieses vorbildhafte Leben, das anderen einen Anstoß geben kann sich ebenfalls zu ändern. So wie Jesu Handeln uns ein Vorbild sein soll für uns selbst. Dadurch können wir auch für andere ein Vorbild werden, auch unseren Feinden. Darum auch die sich nur im Christentum findende Feindesliebe. Wenn ich offen auf andere Menschen zugehe, ihnen ihre Unabhängigkeit zugestehe, sie also so nehme, wie sie sind und vorbildhaft nach dem Vorbild Jesu agiere, so wird sich die Wahrnehmung ändern, es wird sich ein anderes Gefühl entwickeln und ich kann auch dem unsympathischsten Menschen agápe entgegenbringen.

 

Dann bin ich in der Liebe, Gott ist in mir, er gibt mir Freiheit, ich kann furchtlos leben, es braucht keine Lügen mehr und wir alle leben einfach besser miteinander. Dadurch bauen wir alle gemeinsam ein Stück des Reiches Gottes. Das ist unser Auftrag als Christen, als Salz dieser Erde.

Um es also mit Biff nochmals provokant zu sagen „Habt euch lieb!“. Nämlich zuallererst euch selbst, nehmt den Balken aus dem Auge, den großen Besen aus dem Schrank und los geht es. Dazu braucht es „nur“ einen Perspektivenwechsel.

Der Rest des Weges Gottes, der der Weg der Liebe ist, geht sich dann fast von allein, bzw. natürlich mit Gottes Hilfe.

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