19. Februar 2017

Geduldig sein!

Serie:
Passage: Markus 4,26-29
Dienstart:

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus, die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.

Amen.

 

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde!

 

Der heutige Predigttext ist aufgeschrieben in Mk 4,26-29:

26 »Mit dem Reich Gottes«, so erklärte Jesus weiter, »ist es wie mit einem Bauern, der die Saat auf seinem Acker ausgestreut hat. 27 Er legt sich schlafen, er steht wieder auf, ein Tag folgt dem anderen; und die Saat geht auf und wächst – wie, das weiß er selbst nicht. 28 Ganz von selbst bringt die Erde Frucht hervor: zuerst die Halme, dann die Ähren und schließlich das ausgereifte Korn in den Ähren. 29 Sobald die Frucht reif ist, lässt er das Getreide schneiden; die Zeit der Ernte ist da.«

Herr segne dein Wort an uns und hilf, es in unser tägliches Leben aufzunehmen. Amen.

 

Sie alle kennen dieses Gleichnis von der aufgehenden Saat, das sich nur im Mk findet. Rein theologisch gesagt, lässt sich das Gleichnis auf mind. zwei Arten auslegen:

  1. Der Bauer kann für unseren Herrn Jesus stehen, der während seines öffentlichen Dienstes „Saat auf seinem Acker ausgestreut“ und dann in den Himmel zurückkehrt. Die Saat beginnt zu wachsen – auf geheimnisvolle Weise, kaum zu bemerken, aber unaufhaltsam. Aus kleinen Anfängen entwickelt sich eine große Ernte echter Gläubiger. Dafür spricht viel, denn aus den kleinen Anfängen eines Mannes wurde eine weltumspannende und weltverändernde Bewegung von Hunderten Millionen Gläubigen.
  2. Oder das Gleichnis ist als Ermunterung für die Jünger gedacht. Ihre Aufgabe ist es zu säen. Sie mögen nachts schlafen, am Tag aufstehen, aber sie wissen, dass Gottes Wort nicht leer zurückkehren wird, sondern ausrichtet, wozu er es gesandt hat. Durch einen geheimnisvollen und wunderbaren Vorgang, ohne Mithilfe menschlicher Kraft und Geschicklichkeit, arbeitet das Wort an menschlichen Herzen und bringt Frucht für Gott hervor. Der Mann sät und begießt, aber Gott gibt das Wachstum. Und wenn die Zeit erfüllt ist, kommt der Bauer wieder und fährt die Ernte ein. Das betrifft uns. Wir alle helfen zusammen, dass diese Gemeinschaft wächst.

Egal welche Variante man wählt, man erfährt hier jedenfalls zweierlei: Es braucht oft nicht viel, damit etwas Weltveränderndesentsteht und man muss Geduldhaben.

 

Aber: Oberflächlich betrachtet wartet die Christenheit seit Jesu Tod und Auferstehung, spätestens jedoch seit seiner Himmelfahrt auf das Reich Gottes! Paulus, die zwölf Apostel, Jesu Jünger, die ersten Christen … sie alle waren fest davon überzeugt, dass sie es noch erleben würden, wie dieses Reich kommt. Spätestens mit der Wiederkehr Christi würde es sich einfinden, das Reich Gottes, und dann würde alles anders werden.

 

Biblisch betrachtet, versteht man unter Reich Gottes folgendes:

  1. Gott herrscht aus dem Himmel unsichtbar als Königüber das ganze Universum von Ewigkeit bis in alle Ewigkeit.
  2. Aber er wird am Ende der Zeiten auf der Erde seine Königsherrschaft aufrichten, und zwar durch seinen Messias, den Christus in Jerusalem. Dieses messianische Friedensreich wird eine Zeit der Segnungenfür das auserwählte Volk Israel wie auch für alle Heidenvölker sein, die das große Gericht des Tages des Herrn überlebt haben.

 

Nun, war Christus nicht schon bei uns? Vor gut 2000 Jahren? Wo also ist dieses Reich Gottes? Sieht man in die von Kriegen und Ungerechtigkeit überzogene Welt, so kann man nur sagen: Es ist nix mit dem Friedensreich und der Zeit der Segnungen. Wie kommt’s? Oder ist es wirklich so?

 

Jesus hat das Reich Gottes verkündet, gekommen ist die Kirche.“ Das hat der französische katholische Bibelwissenschaftler Alfred Loisy gesagt. Eine Kirche also, die im Laufe ihrer jahrhundertelangen Existenz nicht nur Gutes gebracht hat, ist stattdessen gekommen. Soll dies eher Drohung oder doch Verheißung sein?

 

Wie dem auch sei, ob mit oder gegen die Kirche: Die Christen warten bis heute auf das Reich Gottes, auch wenn es zwischendurch immer wieder einmal Gruppierungen gab, die es nahe herbei gekommen wähnten, ja sogar ein exaktes Datum für den „Weltuntergang“ angegeben habe. Und der Predigttext scheint uns darin zu bestärken, dass es halt lange dauern kann damit. Also: her mit den Chips und dem Lieblingsgetränk, Füße hochlagern … und warten?

 

Wie man es auch drehen und wenden will, das Reich Gottes ist noch nicht in dieser großen Frieden und Gerechtigkeit für alle schaffenden Variante angebrochen. Es ist also klar, dass wir uns noch gedulden müssen.

 

Aber gerade dieses geduldig sein ... das fällt uns oft schwer, auch wenn wir wissen: Gut Ding will Weile haben. Aber wie oft verfallen wir der Annahme, dass wir nur etwas tun müssten um die Wartezeit zu verkürzen, um die Ereignisse zu beschleunigen? Das Reich Gottes macht da keine Ausnahme! Schließlich verbinden wir es gemeinhin mit Erstrebenswertem und Ersehntem:

  • mit unvergänglichem, vom Leid befreiten Leben,
  • mit einem Stück Ewigkeit,
  • ja mit dem Paradies also, wo nichts mehr zwickt und zwackt und wo wir keine Probleme mehr haben.

Ehrlich jetzt, wer will einen solchen Zustand nicht besser gestern als heute?

 

Wie aber kann man Gott beschleunigen? Wie seinem ewigen Ratschluss Nachdruck verleihen, ihn also zum Handeln zwingen? Er, der sprichwörtlich alles erschaffen hat? … Wie man es auch dreht und wendet, wir bekommen das einfach nicht hin. Es ist schier unmöglich!

 

Und so suchen wir nach Alternativen, von denen wir uns versprechen, dass sie uns wenigstens ein bisschen von dem erleben lassen, was unerreichbar scheint. Und da laufen wir Gefahr, dass wir uns ein Goldenes Kalb gießen. Ganz so, wie es die Israeliten taten, als sie geduldig auf Moses Rückkehr warten sollten.

 

Für den einen ist es das Anhäufen von Macht und Geld, weil er meint, sich damit alles leisten zu können. Für die andere sind es Schönheitsoperationen, um dem Alter wenigstens nach Außen zu entkommen. Manche fliehen vor dieser Welt und erschaffen sich eine eigene, nicht selten unter Zuhilfenahme von Rauschmitteln, die abhängigmachen. Und wieder andere flüchten in Arbeit, um sich von der eigenen Vergänglichkeit ablenken zu lassen und riskieren einen Herzinfarkt.

 

In Heinrich VI. lässt Shakespeare Königin Margareta sagen: „Ungeduld begleitet wahre Leiden.“… Unsere Ungeduld trägt manchmal seltsame, ab und zu auch grausame Früchte. Wie viele Auseinandersetzungen, wie viel Streit, wie viel Gewalt könnte man vermeiden, würde man etwas mehr Geduld für den anderen aufbringen?! Wie viel Stress, wie viel Hektik, wie viel Unruhe könnten wir uns im Alltag ersparen ...?!

 

Doch Geduld erfordert Gelassenheit, das heißt, die Fähigkeit, etwas aus der Hand zu geben, jemand anderen machen zu lassen - so wie der Bauer im Gleichnis, der sich keinen Kopf um das Wachsen der Saat macht, weil er weiß, dass er mehr kaputt machen als gewinnen würde. Er versuchte nicht, das Gedeihen zu beschleunigen. Schließlich kann man nicht an der Pflanze ziehen, um das Wachstum zu beschleunigen. Insofern sollten wir uns in der Tat ein Beispiel an ihm nehmen.

 

Doch dieses Gleichnis hat eigentlich eine andere Pointe. Nehmen wir die Worte Jesu genau unter die Lupe, dann stellen wir fest:

Nicht wirsollen geduldig auf das Reich Gottes warten,

ja wir brauchen überhaupt nicht zu warten,

denn das Reich Gottes wartet geduldig auf uns!

Lassen wir uns das auf der Zunge zergehen. Das Reich Gottes wartet auf uns!

 

Denn Jesus sagt ja nicht: Das Reich Gottes ist wie eine langsam aufgehende und wachsende Saat, sondern:

Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Bauern …

 

Jesus vergleicht dieses Reich also mit der handelnden Personund nichtmit dem natürlichen Wachstumsprozess des Getreides. Das ist ein kleiner, aber feiner und vor allem bedeutender Unterschied, der uns vielleicht einen neuen Zugang zu dieser Verheißung eröffnet. … Denn das Reich Gottes, das sagte Jesus ja immer wieder, ist ja schon nahe herbeigekommen! Und daher, Überraschung, Überraschung: Das Reich Gottes besteht gegenwärtig innerlich in denen, die Jesus Christus durch Buße und Glauben als Herrn und König ihres Lebens angenommen haben, äußerlich umfasst es alle, die sich mit dem Mund zu Jesus Christus bekennen. Es ist innerlich in uns hier, oder anders ausgedrückt, mit den Worten aus Lk 17,21: „Man wird nicht sagen: Siehe hier!, oder: Siehe dort! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Das Reich Gottes ist also mitten unter uns! Warum also auf etwas warten, was schon da ist!

 

Ich sehe schon, jetzt kommt eine gute und wichtige Frage: „Ja, wo ist es denn?“ Ist das nicht ein billiger Trick? Will man damit nicht verhindern, dass die Autorität der Schrift ausgehebelt wird? Immerhin geht es da um eine Zusage, die seit 2000 Jahren nicht erfüllt wurde.

 

Das ist ein berechtigter Punkt. Will man dieses Paradoxon lösen, so muss man sich zuerst klar werden, was wir eigentlich genau suchen. Jesus hat das Reich Gottes jedenfalls nicht in die Zukunft verbannt, sondern war fest davon überzeugt, dass es jetzt schon erfahrbar, auffindbar ist. So lesen wir es auch in Lk 10,11: „doch sollt ihr wissen, dass das Reich Gottes nahe zu euch herbeigekommen ist!“ Jesus spricht hier in der Gegenwartsform. Es ist schon herbeigekommen. Nicht es wird herbeikommen. Hmmmhhhh…

 

Dietrich Bonhoeffer war es, der darum die Diesseitigkeit und Zuwendung der Kirche in diese Welt hinein so vehement forderte. "Die Wirklichkeit Gottes erschließt sich nicht anders als indem sie mich ganz in die Weltwirklichkeit hineinstellt." Und dieses Sichhineinbegeben in die Welt äußert sich in der Frage: Was kann ich tun, damit anderen geholfen wird? Für Bonhoeffer - wie auch für Jesus - war die Frage nach dem Reich Gottes also eine zutiefst ethische! "Kümmere dich um deine Mitmenschen, die in Not sind! Denn da wartet es, das Reich Gottes!"

 

Zurück zu unserem Gleichnis: Die ausgesäte Saat ist die Liebe, die Gott uns in Jesus Christus gezeigt hat und die wir teilen dürfen. Und dort, wo diese Liebe sich dem Hass der Welt widersetzt, wo sie widersteht und sich durchsetzt und dann Früchte trägt, dort ist Gottes Reich zu finden. Wenn wir in Lk 10,21 lesen „Trachtet vielmehr nach dem Reich Gottes, so wird euch dies alles hinzugefügt werden!“ so ist damit nicht ein Ziehen an der Pflanze gemeint, sondern … Liebe. Wir sollen Botschafter der Liebe, der Nächstenliebe sein. Auch wenn es manchmal schwer ist, den anderen zu lieben. Aber ehrlich jetzt, was im Leben ist schon leicht?

 

Das mit dem Reich Gottes ist also viel unspektakulärer als gedacht, doch in seiner Alltäglichkeit zugleich so wundervoll wie erhofft … und viel näher, als vermutet: nämlich dort, wo ichBarmherzigkeit und Liebelebe.

Amen.

Dateien zum Herunterladen Notizen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert