Hört die Signale!
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,
Wolfgang Böhm hat in seinem Leitartikel in der gestrigen Presse, der mit „Die Alternative zum liberalen Weg ist eine gefährliche Illusion“ übertitelt ist, folgendes geschrieben: „Es geht um das Untergraben jener liberalen und demokratischen Prinzipien, die das Gerüst der EU bilden – ausgelöst durch eine Vertrauenskrise in ein System, das zwar Wohlstand aber keine ausreichende Sicherheit gebracht hat. Ein wachsender Teil der Bevölkerung zweifelt am Sinn offener Grenzen, offener Märkte und sogar an der gemeinsamen Währung. Sie empfinden Wettbewerb und Rechtsstaatlichkeit, Binnenmarkt- und Haushaltsregeln nur noch als Hemmnis für raschen nationalen Erfolg. Eine so stark irritierte Bevölkerung fragt nicht nach ob ihre neuen Anführer eine alternative Lösung anzubieten haben, ihnen genügt es, dass dieses ungeliebte System zerstört wird.“
In dieses Bild passt auch eine Begebenheit gestern in der Trafik in Köflach. Der Mann vor mir in der Reihe las die Titelseite einer Zeitung, wo es um die Reform des ORF geht. „Den brauch ma net reformieren. Den kann man abschaffen.“
Es gibt viele gute Gründe, kritisch gegen die EU und auch gegen den ORF zu sein, aber so wie dieser Mann einfach die Zerschlagung anregt, oder wie es die Regierungen in Ungarn, Polen und nun auch die neuen Regierungen in Italien und Spanien angehen wollen, führt zu nichts Besserem. Was den ORF betrifft, hat Armin Wolf vor kurzer Zeit einmal sehr eindrücklich festgehalten, welchen Mehrwert über die unsäglichen ewig gleichen Serien hinaus der ORF für die Medienlandschaft bringt. Eine sehr beeindruckende Aufzählung. Und ich denke mir, immer noch besser, einen ORF zu haben, als ein weiteres rein werbefinanziertes Programm wie RTL oder Sat.1.
Was die nationalen Träumereien der linken wie rechten Populisten betrifft, braucht man nur aktuell nach Venezuela schauen. Hier sieht man exemplarisch, was mit Staaten passiert, die sich von der Welt abzuschotten meinen. Es kommt kurzfristig vielleicht etwas Gutes heraus, aber langfristig führt das zu Not und Elend. Man merkt das alleine schon an der Währung. Als ich 2005 in Venezuela war, kostete ein Euro auf dem Schwarzmarkt 3.000 Bolivar, der offizielle Wechselkurs war meiner Erinnerung nach bei rund 200 Bolivar. 2008 wurde ein Währungsschnitt im Verhältnis 1:1000 durchgeführt. Heute kostet ein Euro rund 100.000 Bolivar (das ist der offizielle Kurs, den Schwarzmarktkurs, der ungleich höher liegen wird, kenne ich nicht). Und morgen am 4. Juni kommt es zu einem neuerlichen Währungsschnitt im Verhältnis 1:1000. Lässt man den Währungsschnitt außer Acht, so kostet heute ein Euro rund 1 Mio. Bolivar. Zucker und Kaffee, die in dem Land fast wie Unkraut wuchern, mussten schon 2005 rationiert werden und man konnte sie nur alle 2 Wochen kaufen. Heute ist die Versorgungssicherheit noch eingeschränkter als damals. Das sozialistische Experiment mit der Abschottung gegen den Rest der Welt scheint einem Ende zuzugehen. Die Regierung bemüht das externe Feindbild USA, das aber kaum an der Misswirtschaft und der hohen Korruption in dem südamerikanischen Land verantwortlich zu machen ist.
„Völker, hört die Signale!“ heißt es im Refrain des kommunistischen Kampfliedes, der Internationale. Wahrlich. Hört die Signale. Hört die Worte. Der Propheten und auch der falschen Propheten. Denn letztere gibt es immer, zu Hauf und zu jeder Zeit. Schon der Prophet – Gottes, wie ich hier anfügen muss – Jeremia warnte vor den falschen Propheten und ihren falschen „Heilsversprechen“, die meist nichts anderes als Unheilsversprechen sind und bestenfalls den falschen Propheten selbst zum Vorteil gereichen.
Hören wir also den der heutigen der Predigt zugrundeliegenden Text aus Jer 23,16–29
16 So spricht der HERR Zebaoth: Hört nicht auf die Worte der Propheten, die euch weissagen! Sie betrügen euch, sie verkünden euch Gesichte aus ihrem Herzen und nicht aus dem Mund des HERRN. 17 Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen –, und allen, die im Starrsinn ihres Herzens wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen. 18 Aber wer hat im Rat des HERRN gestanden, dass er sein Wort gesehen und gehört hätte? Wer hat sein Wort vernommen und gehört?
19 Siehe, es wird ein Wetter des HERRN kommen voll Grimm und ein schreckliches Un-gewitter auf den Kopf der Gottlosen niedergehen. 20 Und des HERRN Zorn wird nicht ablassen, bis er tue und ausrichte, was er im Sinn hat; zur letzten Zeit werdet ihr es klar erkennen. 21 Ich sandte die Propheten nicht, und doch laufen sie; ich redete nicht zu ihnen, und doch weissagen sie. 22 Denn wenn sie in meinem Rat gestanden hätten, so hätten sie meine Worte meinem Volk gepredigt, um es von seinem bösen Wandel und von seinem bösen Tun zu bekehren.
23 Bin ich nur ein Gott, der nahe ist, spricht der HERR, und nicht auch ein Gott, der ferne ist? 24 Meinst du, dass sich jemand so heimlich verbergen könne, dass ich ihn nicht sehe?, spricht der HERR. Bin ich es nicht, der Himmel und Erde erfüllt?, spricht der HERR.
25 Ich höre es wohl, was die Propheten reden, die Lüge weissagen in meinem Namen und sprechen: Mir hat geträumt, mir hat geträumt. 26 Wann wollen doch die Propheten aufhören, die Lüge weissagen und ihres Herzens Trug weissagen 27 und wollen, dass mein Volk meinen Namen vergesse über ihren Träumen, die einer dem andern erzählt, so wie ihre Väter meinen Namen vergaßen über dem Baal? 28 Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht. Wie reimen sich Stroh und Weizen zusammen?, spricht der HERR. 29 Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?
Herr, lass uns dein Wort hören und unser Herz berühren. Lass uns aber auch die falschen Propheten erkennen, damit wir nicht in deren Falle tappen. Amen.
Der Text über Jeremia ist Teil einer grundsätzlichen Auseinandersetzung Jeremias mit den Hofpropheten, also den Propheten, die für den König arbeiteten. Heute würde man wohl Politikberater oder so ähnlich dazu sagen. In unserem Abschnitt setzt er sich inhaltlich mit ihrer verfehlten Botschaft auseinander. Etwas, das wir als Kirche auch heute wieder gefordert sind zu tun. Denn es sind Fehlentwicklungen nicht nur auf internationaler politischer Basis, sondern auch innenpolitisch, wo es gilt ähnlich wie Jeremia den Mund aufzutun und den Menschen zuzurufen: „Völker, hört die Signale!“ Anfügen müssten man noch: Und vor allem, lernt aus der Geschichte. So gesehen können wir aus dem Text viel über die aktuelle Situation lernen.
Sehen wir uns doch einmal gemeinsam die Verse 16 und 17 an. Förmlich wie bei einem Gerichtsprozess, eröffnet Jeremia hier sein Plädoyer gegen die falschen Propheten. Er geht hart ins Gericht, denn er bezichtigt sie des Betrugs und behauptet, sie führten Israel in die Irre. Denn was sie sagen, ist nicht O-Ton JHWHs, sondern entstammt ihrem eigenen, oft niedrigem Wunschdenken. Ihr Betrug liegt darin, dass sie ihr eigenes Wort als Gotteswort ausgeben. Diese falschen Propheten wollen einfach ihr Ding durchziehen und versprechen den Hörern nichts Geringeres als dass ihnen kein Unheil zustoßen würde, soferne man das tut, was sie als Gotteswort verkünden. So etwas Ähnliches kennt man aus den aktuellen politischen Debatten doch auch, oder? Wenn erst mal dies oder jenes, dann aber wird alles besser. Man müsse nur …
Aber was sind die Ursachen dieses Betruges? Warum tun die falschen Propheten dies? Klar, es geht um das eigene Börserl, die eigene Machtposition. Oder um es mit Jeremia zu deuten: Die falschen Propheten haben – im Gegensatz zu ihm – nicht im Rat des Herrn gestanden und auch nicht sein Wort vernommen, also können sie es auch nicht verkünden. Da sie trotzdem in seinem vermeintlichen Auftrag weissagen, müssen sie mit den entsprechenden Konsequenzen rechnen. Salopp oder mit Asterix gesagt: der Himmel wird ihnen auf den Kopf fallen.
Aber: Diese falschen Propheten wurden eben gerade nicht von JHWH beauftragt. Daher können sie auch nicht in seinem Sinne sprechen. Ihnen fehlt also die Legitimation. Im Gegenzug: Wären sie legitimiert und instruiert, hätte ihre Botschaft das Ziel, das Volk aufzurütteln und zur Umkehr zu bewegen. Weiters würden sie an die biblischen Ratschläge, und hier in erster Linie Glaube, Hoffnung und Liebe, zu appellieren.
Doch die falschen Propheten machen die Rechnung ohne den Wirt. Denn Gott sieht alles. Er ist der Nahe und der Ferne, nichts bleibt ihm verborgen, denn als Schöpfer erfüllt er den Himmel und die Erde. Die falschen Propheten werden sich also ihrer Verantwortung nicht entziehen können.
Was aber passiert mit den Menschen, die ihnen auf den sprichwörtlichen Leim gegangen sind? Was mit den Staaten, die ihren Meinungen folgten? Nun, sie werden umkehren müssen. So wie es wir nach 1945 mussten, in dem Jahr, wo kaum jemand der 99,9% des Jahres 1938 dabei gewesen sein wollte.
Was bleibt ist die Frage, wie und woran man die wahren und die falschen Propheten erkennt? Nun, Jeremia gibt uns da am Ende des Textes einen Hinweis: „Ist mein Wort nicht wie ein Feuer, spricht der HERR, und wie ein Hammer, der Felsen zerschmeißt?“ Das klingt martialisch oder gar gewalttätig. Aber bei Licht betrachtet: Gibt es ein stärkeres Gefühl des Menschen als die Liebe? Sie ist es doch, die alles überwindet, man lese in 1Kor 13 nach. Das Wort des Herrn ist Liebe. Nein, noch viel mehr: Gott ist Liebe. Wenn wir in der Liebe handeln und unser Handeln von der Liebe leiten lassen, wenn wir auf das hören, was andere sagen und es am Maßstab Liebe messen, dann werden wir den wahren Propheten vom falschen scheiden können.
Gott ist Liebe. Wer von Gott redet, wer uns Pläne und Visionen von der Zukunft darlegt und nicht diese Liebe im Blick hat, kann sich nicht auf Gott berufen, der kann nicht im Namen Gottes sprechen.
Liebe bringt Solidarität mit sich. Wenn man diese in Europa wieder über Bord wirft und nationale Eigenwege gehen will, wenn man nicht solidarisch mit denen ist, die schwächer als man selbst ist, dann wandelt man nicht auf den Wegen Gottes. Und wer diesen falschen Weg rät, wer uns sagt, diesen Weg zu gehen, der muss mit dem Gericht rechnen, denn der Herr wird die falschen Propheten mit Feuer und Hammer unschädlich machen und schließlich wie lästigen Ballast „abwerfen“.
Ratschläge und Politiken, die Neid und Eifersucht, die Angst und die Verschärfung der Überwachung im Namen der Verbrechensbekämpfung im Sinne haben, sind nicht Ratschläge, die jemand aus Liebe gibt. Sie sind einfach nur Ratschläge von falschen Propheten. Mehr noch: Sie sind letztlich Schläge. Daher: Völker, hört die Signale! Hört auf die Liebe und folgt nur denen, die von ihr sprechen.
Amen.