Predigtreihe Glaubensbekenntnis – „… die heilige, christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden…“
Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,
wir nähern uns mit unserer Predigtreihe über das Glaubensbekenntnis dem Höhe- und Schlußpunkt, der mit der Schlusszeile nächsten Sonntag am Ostersonntag erreicht ist. Heute geht es um die Kirche, die Heiligen und um Vergebung, denn unser heutiger Abschnitt lautet „die heilige, christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden“.
Beginnen wir mit
- der Kirche.
Diese Passage des Glaubensbekenntnisses markiert auch den einzigen Unterschied zu unseren katholischen Glaubensgeschwistern. Während wir die „christliche Kirche“ bekennen, bekennen Katholiken die „katholische“.
Und es ist wahr: In der Urfassung des Glaubensbekenntnisses heißt es „sanctam Ecclesiamcatholicam“. Dieses catholicam kommt vom griech. καθολικός was so viel wie allgemein, oder allumfassend bedeutet. Dass sich die römische Kirche katholische Kirche nennt, ist ein Produkt der Reformation. Bis Luther bezeichnete sie sich nämlich einfach nur als „Kirche“. Als Reaktion darauf haben die Kirchen der Reformation diese Passage auf „christliche Kirche“ oder „allgemeine christliche Kirche“ geändert. Es wurde somit gleichsam zu einem Erkennungszeichen der Evangelischen, ebenso wie das Nicht-Bekreuzigen in Österreich. Doch das tut nichts weiter zur Sache. Um was geht es eigentlich, wenn wir den Glauben an die christliche oder die katholische Kirche bekennen?
Der Begriff Kirche ist ein missverständlicher. Es wird im Deutschen damit ein Begriff verwendet, der eigentlich nicht an dieser Stelle verwendet werden sollte. Der Begriff Kirche stammt nämlich vom Alemannischen ab und bezieht sich auf das griech. κυριακόν, was soviel wie Gotteshausbedeutet. So gesehen geht es um die Mauern hier. Im französischen mit église oder im spanischen mit iglesia kommt man dem Urbild aber wesentlich näher. Im lateinischen Original lesen wir nämlich Ecclesiam, das zugrunde liegende Wort ist das griech. ἐκκλησία, was soviel wie Versammlungoder Gemeinschaftbedeutet. Daher findet sich im evangelischen Sprachgebrauch oft die „Gemeinde“ als Synonym für Kirche in eben diesem Wortsinn. Nicht umsonst heißen wir offiziell Evangelische Pfarrgemeindeund nur umgangssprachlich Evangelische Kirche. Wie wohl letzterer Ausdruck gerade für unsere katholischen Geschwister leichter verständlich ist. Daher wählen wir auch am 15. April eine Gemeindevertretungund nicht einen Pfarrgemeinderatusw. Sie sehen, dieser Unterschied in der Auffassung geht eigentlich ganz tief. Doch ich merke, ich schweife ab.
Was also ist die Kirche für uns, wenn nicht die Steine, wie es der deutsche Name nahe legt? Nun, befragen wir dazu einfach das Augsburger Bekenntnis, das im Artikel 7 von der Kirche spricht. Dort heißt es: „Es wird auch gelehrt, dass alle Zeit müsse eine heilige christliche Kirche sein und bleiben, welche ist die Versammlung aller Gläubigen, bei welchen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden.“
Somit ist nach lutherischer Auffassung die Kirche „Geschöpf des Wortes Gottes“ (creatura verbi), weshalb in einem lutherischen Gottesdienst die Predigt im Mittelpunkt steht. Nach lutherischem Verständnis muss also eine Kirche, um diesen Namen zu verdienen, zwei Dinge erfüllen:
- das Evangelium muss rein verkündet und
- die Sakramente der Einsetzung Christi gemäß verwaltet werden.
Wenn sich unter diesen Bedingungen Menschen versammeln, dann spricht man von Kirche. Mehr ist dazu nicht nötig. Keine Steine, keine Sessel, ja noch nicht einmal ein Pfarrer. Darum gilt auch der Grundsatz des Priestertums aller Gläubigen. Kirche kann also überall sein. Auch vor einem Baum bei einer Wanderung, wenn wir alle zusammen eine Andacht halten. Auch das ist nichts weniger als Kirche.
Diese Steine, dieser Raum hier, haben somit nur die Funktion, dass wir nicht nass werden oder im Schatten den Gottesdienst feiern können. Keinesfalls haben sie eine sakrale Funktion wie in der orthodoxen oder der katholischen Kirche.
Wir glauben also an die „die heilige, christliche Kirche“. Das Wort heilig kommt vom griech. ἅγιος, was soviel wie „die, die Jesus Christus ihren Herrnnennen“ bedeutet. Es ist dies auch die Bedeutung, die Heilige bei uns in der Evangelischen Kirche haben: Wir alle, die wir hier sitzen und an Jesus unseren Christus glauben, sind Heilige und nicht irgendwelche besonderen Menschen, die man ihrer Taten wegen verehrt, gar ihre Bildnisse als Figuren in die Kirche stellt. Angemerkt sei noch, dass heilig in diesem biblischen Sinne nichts mit dem umgangssprachlichen Gebrauch von heiligzu tun hat, der eine moralischer Vollkommenheit beschreibt.
Die heilige, christliche Kircheist also eine Versammlung von Menschen, die an Jesus Christus glauben. An diese Versammlung glauben wir; wir vertrauen also darauf, was hier gesagt und getan wird, was wir hier erfahren und vor allem erleben.
- Die Gemeinschaft der Heiligen.
Die Gemeinschaft der Heiligen bezeichnet die spirituelle Gemeinschaft aller Getauften als Glieder der Kirche und Teil des mystischen Leibes Christi.Wie es auch in 1Kor 12,27 heißt: „Ihr aber seid der Leib Christi und jeder Einzelne ein Glied.“ Wir haben es also mit einer Doppelung zu tun. Einerseits die heilige Kirche, die schon eine Gemeinschaft der Heiligen ist und gleich im Anschluss wird nochmals expressis verbis davon gesprochen. Man kann das als rhetorisches Stilmittel der Tautologie betrachten, wodurch die Wichtigkeit des Gesagten betont werden soll: Wir mögen unterschiedlich sein, doch wenn wir an Jesus unseren Christus glauben, sind wir wie ein Leib, der mystische Leib Christi. Ganz so, wie wir es in 1Kor 12 lesen. Und das Wichtige daran ist die Versammlung. Nur dann sind wir Kirche, wenn wir uns versammeln.
III. Vergebung der Sünden.
Wir bekennen nicht nur die Vergebnung der Sünden, sondern wir bitten auch darum. Und zwar im Vaterunser. Unser Herr selbst hat uns das Vergeben nahegelegt. Befragen wir dazu das Mt: In 18,21 lesen wir: „Da trat Petrus hinzu und sprach zu ihm: Herr, wie oft muss ich denn meinem Bruder, der an mir sündigt, vergeben? Ist's genug siebenmal? 22 Jesus sprach zu ihm: Ich sage dir: nicht siebenmal, sondern siebzigmal siebenmal.“ Damit kommt zum Ausdruck, dass man immer vergeben sollte und nicht nur 490 Mal. Das ist wichtig, denn gegenüber Gott sind wir immer in der Schuld. Gott aber vergibt uns unsere Schuld um Christi willen. Mit der Bitte um Vergebung und der eigenen Vergebungsbereitschaft ist die Last der Schulden nicht nur zwischen Gott und mir sondern auch zwischen uns allen weggenommen. Vergeben heißt dabei aber nicht vergessen. Man muss nicht vergessen, aber man sollte vergeben. Denn ohne Vergebung kommt man nicht weiter. Im schlimmsten Falle kommt es unter Menschen sogar zu einer Gewaltspirale. Immer wieder offenkundig wird das im Kriegsfalle. Wenn es nach einem Krieg keine Aussöhnung gibt, so ist der Same für den nächsten Konflikt gelegt. Man sehe sich nur die deutsch-französische Geschichte der letzten 150 Jahre an. Erst durch die Aussöhnung nach dem WKII unter Adenauer und de Gaule ist es zu einer friedlichen Entwicklung in Europa gekommen.
- Zusammenfassung.
Zusammengefasst bedeutet das also:
Wir glauben an die Gemeinschaft derer, die zu Jesus Christus gehören. Diese Gemeinschaft bildet sich, wenn das Evangelium lauter, also ehrlich und ordentlich gepredigt wird und die Sakramente, die Jesus selbst eingesetzt hat – also Taufe und Abendmahl – entsprechend seiner Weisung gereicht werden. Und wir vertrauen auf die Vergebung unserer eigenen Schuld, was bedeutet, dass wir auch denen vergeben, die an uns schuldig geworden sind.
Das also glauben wir. Die Frage, die ich mir demnach stellen muss: Handle ich auch immer danach?