22. April 2018

Predigtreihe Vaterunser: „… unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …“

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,

heute haben wir eine sehr interessante Stelle des Vaterunsers im Blick. „… unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern …“. Dieser Satz berührt unsere wesentlichen Existenzfaktoren. Einen, den Broterwerb, ganz offensichtlich, den anderen über Umwegen.

Aber lassen sie mich ein wenig ausholen. Wie sie wissen, bin ich Betriebswirt, ich habe in Wien an der WU studiert. Und nun bin ich in den Endzügen meines Theologiestudiums, ebenfalls in Wien. Mit Glück und Gottes Hilfe beende ich es im Juni. Es ist keinesfalls so, dass man nach dem Theologiestudium ins Pfarramt gehen muss. Vielmehr entscheidet man sich dazu und muss diese Entscheidung dem Oberkirchenrat bekannt geben. Das habe ich gemacht.

Will man also Pfarrer werden, wird man von einer Personalkommission der Kirche zu einem Gespräch eingeladen. Ziel ist es, den Bewerber näher kennen zu lernen und ihm auf den sprichwörtlichen Zahn zu fühlen. Diese Kommission verfasst dann eine Stellungnahme und sendet sie dem Oberkirchenrat.

Ich hatte dieses Gespräch vorgestern. Anwesend waren die für Personal zuständige Oberkirchenrätin, der Chef der „Pfarrergewerkschaft“ und ein Bekannter der Oberkirchenrätin, seines Zeichens Personalchef in einem großen Industriebetrieb. Dieser fragte mich, warum ich Pfarrer werden und nicht meiner ursprünglichen Ausbildung entsprechend in der Wirtschaft tätig sein wolle. Ich hätte ja exzellente Qualifikationen.

Die Antwort fiel mir leicht, sie war: „Was Menschen heute mehr brauchen als mehr Geld für den 5. Urlaub im Jahr, ist jemand, der für sie da ist, mit dem sie sprechen können, der sie auf andere Gedanken bringen kann.“ Ich weiß nicht, ob das die Antwort war, die der Personalchef hören wollte, aber es ist das, was mich bewegt und wovon ich überzeugt bin. Ob ich das immer erfüllen können werde, weiß ich nicht, aber mit der Hilfe Gottes wird es mir in vielen Fällen gelingen.

Warum aber diese Antwort und was hat das in der heutigen Predigt zu suchen? Nun, „unser tägliches Brot gib uns heute“. Wenn wir alles tun, was wir tun können, so werden wir uns nicht um unser Auskommen sorgen müssen. Das ist damit gemeint. Wir lesen das auch schon am Beginn der Bibel in 2Mo 16,35, wo vom Manna der Israeliten in der Wüste berichtet wird. Wenn wir also Gott vertrauen, an ihn glauben, so wird er uns Möglichkeiten bieten, wie wir unser Auskommen haben. Wir müssen dabei natürlich unsere Möglichkeiten ausschöpfen, unsere Talente nutzen. Wie schon öfters erwähnt: Ein einfaches „Der Herr wird’s schon richten“ und zu Hause sitzen zu bleiben, wird dabei nicht reichen. Überspitzt formuliert: Die Israeliten mussten sich auch bücken, um das Manna aufzuheben. Nur zu sitzen und zu warten, dass es in ihren Mund fällt, hat es auch nicht gespielt.

Also, vertraue ich auf Gott und tue ich alles in meiner Macht stehende, nutze meine Talente, so werde ich sicherlich mein Auslangen haben. Es wird mir an nichts mangeln. Gut ich kann vielleicht nicht 5 Mal im Jahr in den Urlaub fahren. Wenn es auch schön ist, aber wer braucht das wirklich? Wobei, ausgeschlossen ist es ja nicht.

Wenn ich diesen Satz, dieses „unser tägliches Brot gib uns heute“ im Hinterkopf habe, so werde ich ein ruhigeres Leben führen können und muss mich an meiner Arbeitsstelle oder wo auch immer nicht immer verbiegen, muss nicht etwas machen, was sich mit meinen Werten nicht vereinbaren lässt. Die Welt würde auch eine bessere werden, weil man weniger auf das Kleingedruckte achten müsste. Es gäbe dann keinen Anreiz, jemanden übers Ohr zu hauen um eben diese 5. Urlaubsreise zu finanzieren.

 

Aber lassen sie mich nun auf den meiner Ansicht nach wesentliches Gesichtspunkt eingehen, den 2. Teil des Satzes: „und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. Es geht um Vergebung. Auch hier etwas aus meiner jüngsten Vergangenheit. Ich schaue gerade über einen Videostreamingdienst eine Serie namens „Vikings“. Es geht da um die Wikinger im 7./8. Jahrhundert, als sie anfingen, über ihre damals bekannte Welt hinaus zu segeln und Furcht und Schrecken in die Welt zu tragen. Es ist eine sehr gewalttätige Serie, die bei aller Dramaturgie doch sehr nahe an der geschichtlichen Realität ist. Sie zeichnet sich durch fürchterlich realistisch dargestellte Kampfszenen aus. Grund für die Kämpfe ist in der Serie fast immer die Rache für die Ergebnisse der vorausgegangenen Kämpfe. Ruhe konnte erst einkehren, wenn die Angehörigen des unterlegenen Stammes vollzählig vernichtet waren. Ansonsten suchte man als Unterlegener neue Verbündete oder probierte aus eigenem Vermögen wieder zu Kräften zu kommen, um sich rächen zu können. Eine schier endlose Spirale der Gewalt, die nur eine Richtung kennt: Nach unten, es wird immer schlimmer.

Ähnliches kennt man heute noch in anderen Weltgegenenden, namentlich im kriegsgebeutelten Nahen Osten. Die Amerikaner bomben den Sunniten Saddam weg, damit erstarken die Shiiten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen und rächen sich für die jahrelange Unterdrückung durch die Sunniten. Diese wiederum rächen sich, indem sie sich dem IS anschließen und die Shiiten meucheln. Nun, da der IS in die Knie gezwungen ist, sind wieder die Shiiten am Zug und es ist leicht auszurechnen, dass das Pendel wieder in die andere Richtung ausschlagen wird. Ähnliches sehen wir in Syrien und auch in Afghanistan. Oder auch zwischen Palästinensern und Israelis.

 

Man kann es drehen und wenden: Dieser Kreislauf muss durchbrochen werden; alles andere hilft nicht. Die gute Nachricht: Er kann durchbrochen werden. Die schlechte: Wenn man will. Man muss dabei aufeinander zugehen und die Vergangeneit ruhen lassen. Es geht nicht ums Vergessen. Aber es geht ums Vergeben. Die wohl größte Tugend des Christenmenschen. Vergeben und Versöhnen – so wie es auch in Europa der Fall war. Ohne Versöhnung zwischen Franzosen und Deutschen hätten wir sicherlich nicht eine so lange Friedenszeit. Und doch, das bedeutet leider nicht, dass es so bleiben wird, wie es ist. Allenthalben gibt es in Europa nationalistische Strömungen, die bewusst die Unterschiede zwischen den Staaten herausstreichen und auch innerhalb der Staaten die Spaltung der Gesellschaft betreiben.

Sie verstoßen damit gegen das Vergebens-Gebot, das sich aus dem Vaterunser ergibt. Wir haben doch in Europa lange genug gebraucht, um es auch zu kapieren, lassen wir es uns so schnell und so einfach wieder wegnehmen?

Gott hat uns unsere Sünden vergeben. Das glauben wir und das bekennen wir. Wenn es also er tut, warum tun wir das nicht. Das sollten wir uns immer vor Augen führen, wenn wir wieder einmal verärgert sind über jemanden und ihm partout nicht vergeben wollen, weil er ja …

Abschließend will ich Ihnen nicht meine eigenen Worte vortragen, sondern ich lasse Jesus selbst sprechen, der uns das sehr deutlich, auch mit den Konsequenzen, vor Augen führt (Mt 18,23-35): „Und als er [der König, Anm.] anfing abzurechnen, wurde einer vor ihn gebracht, der war ihm zehntausend Zentner Silber schuldig. Da er's nun nicht bezahlen konnte, befahl der Herr, ihn und seine Frau und seine Kinder und alles, was er hatte, zu verkaufen und zu zahlen.

Da fiel der Knecht nieder und flehte ihn an und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir's alles bezahlen. Da hatte der Herr Erbarmen mit diesem Knecht und ließ ihn frei und die Schuld erließ er ihm auch. Da ging dieser Knecht hinaus und traf einen seiner Mitknechte, der war ihm hundert Silbergroschen schuldig; und er packte und würgte ihn und sprach: Bezahle, was du schuldig bist! Da fiel sein Mitknecht nieder und bat ihn und sprach: Hab Geduld mit mir; ich will dir's bezahlen.

Er wollte aber nicht, sondern ging hin und warf ihn ins Gefängnis, bis er bezahlt hätte, was er schuldig war.

Als nun seine Mitknechte das sahen, wurden sie sehr betrübt und kamen und brachten bei ihrem Herrn alles vor, was sich begeben hatte. Da befahl ihn sein Herr zu sich und sprach zu ihm: Du böser Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich gebeten hast; hättest du dich da nicht auch erbarmen sollen über deinen Mitknecht, wie ich mich über dich erbarmt habe? Und sein Herr wurde zornig und überantwortete ihn den Peinigern, bis er alles bezahlt hätte, was er schuldig war. So wird auch mein himmlischer Vater an euch tun, wenn ihr nicht von Herzen vergebt, ein jeder seinem Bruder.

Daher liebe Brüder und Schwestern: Wie kommen wir dazu, Groll gegen unseren Nächsten zu hegen? Wie kommen wir dazu, ihm nicht zu vergeben? Wie kommen wir dazu, ihn gar zu hassen? Ist es nicht vielmehr unsere Aufgabe als Salz der Erde, mit gutem Beispiel voranzugehen, über unseren vielleicht auch mächtigen Schatten zu springen und ihm sogar von uns die Hand zu reichen; also nicht erst zu warten, bis er kommt?

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