27. August 2017

Taufansprache am 27.8.2017

Serie:
Passage: Matthäus 28,18-20

Liebe Brüder und Schwestern,

 

ich nutze die Gelegenheit heute, um auch über einige meiner Befindlichkeiten mit ihnen zu sprechen. Vor 2 Wochen stand ich ebenfalls hier und habe zu ihnen über die große Herausforderung des Christenmenschen, nämlich die Nächsten- und die Feindesliebe gepredigt. Was mich überraschte, war, dass diese Predigt stark kritisiert wurde.

 

Das wäre ja ok, aber bedauerlicherweise entzündete sich die Kritik nicht am Inhaltlichen, sondern ausschließlich darauf, dass der Gottesdienst mit 1,5 Std. zugegebenermaßen länger als normal dauerte. Die Predigt selbst jedoch – und ich habe nachgesehen – war nur um 2 Minuten länger als üblich. Es waren mehr Gebete und Lieder sowie das Abendmahl, die den Gottesdienst um ½ Std. erweiterten.

 

Ich würde eine inhaltliche Kritik zu tiefst begrüßen. Denn eine Predigt ist ja keine Sache, die man einfach so macht. Man hält sie für die Erbauung der Gemeinde. Und wenn da etwas nicht passt oder – und das ist jetzt untypisch österreichisch – wenn etwas gut ist, dann sollte man es sagen, damit sich der Prediger orientieren kann. Nur so kann sich etwas ändern.

 

Einen Gottesdienst vorzubereiten, ist keine leichte Übung, die man nebenbei macht. Neben der Predigt muss auch die Liturgie passen. Man muss die richtigen Lieder finden, damit im Idealfall alles auf einen Punkt zuläuft. Auf den Punkt, den man als die Pointe des Predigttextes oder der Predigt ansieht. Und dann müssen noch die Gebete und die Predigt geschrieben und erdacht werden. Alles in allem gut und gerne 5 bis 10 Stunden die man hier investiert.

 

All die Mühe … und die Kritik entfesselt sich dann einzig an der Dauer? Ja, ich sei sogar schuld daran, dass so wenige Besucher in den Gottesdienst kämen. Ich vertreibe mit meinen Predigten alle aus der Kirche. … Danke daher, dass Sie trotzdem da sind!

 

Ist das wirklich so? Dieser Vorwurf schockiert mich und trifft mich wirklich tief! Er ist nämlich an dem einzigen kleinen Funken inhaltlicher Kritik festzumachen, den ich vernommen habe: Man könne meine Predigten nicht hören, weil ich immer von und über Asylwerber spreche und auf „unsere Leute vergesse ich, ich vernachlässige sie“.

Ist es so? Ich bin mir dessen nicht bewusst. Das wäre aber ein inhaltliches Feedback, über die ich sehr dankbar wäre.

 

Ich habe nachgesehen. Seit dem letzten Mal, als ich anlässlich einer Taufe von Asylwerbern hier gestanden bis, also seit dem 5. März dieses Jahres, habe ich fünf weitere Male außer heute hier gepredigt. Das Wort Asyl (in welcher Kombination auch immer) oder Flucht kam in all diesen Predigten kein einziges Mal vor, außer letzte Woche. Und auch hier nur … ein einziges Mal.

Sehr gerne diskutiere ich inhaltliche Kritik, diese aber bitte substantiiert. Denn das ist wichtig und kann uns alle weiterbringen.

 

Also die Predigt über Nächstenliebe und Feindesliebe, diese große Herausforderung des Christen, die 2 Minuten länger dauerte als eine normale Predigt und noch immer 18 Minuten kürzer war, als die von Luther empfohlene Predigtlänge, diese Predigt hat zu Unmut geführt und zeichnet verantwortlich dafür, dass Menschen aus der Kirche getrieben werden?! Ich denke, ich habe da etwas an der Kritik missverstanden, bzw. wir sollten ernsthaft drüber reden.

 

Wie überhaupt, ich habe es schon einmal gesagt: Sprecht nicht über mich, sprecht stattdessen bitte mit mir! Wenn etwas nicht gefällt, sagt es mir bitte direkt und nicht über drei oder mehr Ecken. Und gerne – so viel Eitelkeit habe ich auch – kann man mir auch sagen, was gut ist oder was gefallen hat. Hört man auch einmal gerne.

 

Nun aber zu unseren heutigen Täuflingen. Wie immer ist das Prozedere das gleiche:

  • Ein junger Mann oder eine junge Frau kommt entweder von sich aus oder wird von einem schon getauften Freund eingeladen, einmal mit in den Gottesdienst zu kommen. Es gefällt und mit der Zeit reift der Entschluss, sich taufen zu lassen.
  • Er oder sie bekommt eine Unterweisung in den christlichen Glauben. Mit einem alten Wort bezeichnet man das als Katechese. Dazu gibt es eine Handreichung der Evangelischen Kirche. Und sie bekommen eine Bibel in ihrer Muttersprache. Für viele ein großer Moment, Gottes Wort endlich in ihrer Sprache lesen zu können
  • Jeden Sonntag nach dem Gottesdienst gibt es die Sonntagsschule, wo Katechese betrieben wird, Fragen nachgegangen und über Glaubensthemen diskutiert wird.
  • Zusätzlich ist einmal im Monat ein Persisch-sprechender Religionslehrer bei uns, um die Fragen noch besser und vor allem ohne Sprachbarriere zu beantworten.
  • Wenn sich der Mann oder die Frau schließlich entscheidet, sich wirklich taufen zu lassen, dann verlangen wir ein Motivationsschreiben, und es gibt eine Prüfung zu den Inhalten der Katechese. Hier werden 7–9 Fragen gestellt. Lediglich eine darf eindeutig falsch beantwortet sein.
  • Der Herr Pfarrer und ich besprechen uns dann und entscheiden, ob die betreffenden Kandidaten zur Taufe zugelassen werden oder nicht.

Wobei, es ist schwierig, denn man kann niemanden ins Herz schauen. Dennoch sind wir der Ansicht, durch dieses Vorgehen und die Beobachtung des Verhaltens in der Sonntagsschule guten Gewissens die Taufempfehlung aussprechen zu können. Den Rest macht der Herr … und die Gemeinde. Den wenn wir als Gemeinde uns als Vorbild darstellen, dann werden andere diesem Bild folgen wollen.

 

Nun, worin sollen wir vorbildlich sein? Diese Frage lässt sich anhand der Motivationsschreiben und der geführten Gespräche relativ leicht beantworten: Motivationsfaktoren dieser sechs jungen Männer hier, den Schritt der Konversion zu wagen, der auch hier nicht einfach für sie ist und für einige große Probleme mit der eigenen Familie mit sich bringt, sind: Nächstenliebe, Freiheit und Friede. Fasste man alle Motivationsschreiben in einem Satz zusammen, so könnte man sagen: „Die Christen sind glücklich, frei von Angst vor ihrem Gott und dabei freundlich und helfen einander.“ Wenn das kein gutes Bild von uns Christen ist, praktisch direkt aus der Marketingabteilung kommend?! Und doch kann es uns auch ein Vorbild sein.

 

Mit dem heutigen Tag und nach der Taufe sind diese sechs jungen Männer mit allen Rechten und Pflichten Teil unserer Gemeinde und Teil der Evangelischen Kirche A.B. Österreich. Sie streifen ihr altes Ich ab und werden zu neuem Leben erwachen, ihre Sünden werden durch die Taufe hinweggewaschen und sie werden zu Kindern Gottes, denn Christus ist auch für sie gestorben.

 

So darf ich ihnen also unsere heutigen Täuflinge vorstellen:

 

  1. (IRQ), 29 Jahre, Köflach

David, 1Joh 4,10: „Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.“

 

  1. (AFG), 21 Jahre, Krems

Martin– Joh 14,6: „Christus spricht: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.“

 

  1. (AFG), 26 Jahre, Köflach

Johannes– Röm 6,23: „Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.“

 

  1. (IRI), 33 Jahre, Rosental

Christian– Mt 7,7: „Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.“

 

  1. (IRI), 41 Jahre, Rosental

Michael, Joh 3,16:„Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“

  1. (AFG), 19 Jahre, Köflach

Martin, Röm 6,23: „Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.“

 

Liebe Brüder und Schwestern. Ich bitte Euch, nehmt diese, unsere neuen Geschwister in Eure Mitte auf. Helft ihnen, ihr Christentum zu leben. Denn es gibt für sie noch vieles zu erlernen, zuvorderst natürlich auch die verschiedenen Bräuche und Feste.

Und habt bitte Geduld. Vieles ist für sie sehr fremd und wegen der Sprachbarriere nicht leicht erklärbar. Aber sie bemühen sich redlichst. Tun wir es ihnen gleich!

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