Reformationstag 2018
Predigt Reformationstag 2018
Gal.5,1-6
Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen!
Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, so wird euch Christus nichts nützen. Ich bezeuge abermals einem jeden, der sich beschneiden lässt, dass er das ganze Gesetz zu tun schuldig ist. Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, aus der Gnade seid ihr herausgefallen.
Denn wir warten im Geist durch den Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die wir hoffen.
Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Ich möchte uns heute am Reformationssonntag wieder in Erinnerung rufen die wohl zentralste und wichtigste Entdeckung Martin Luthers, die zur Reformation geführt hat:
Der Artikel von der Rechtfertigung,
Art. 4 des Augsburger Bekenntnisses
Luther bedient sich dabei der juristischen Sprache. Artikel meint hier Kapitel oder Lehrstück.
Luther nennt diesen Artikel die alles erschließende, bestimmende und zusammenhaltende Mitte des Glaubens und der christlichen Theologie.
Elementar einfach, aber nicht simpel lässt sich dieser Artikel in 1 Satz zusammenfassen:
Gott rechtfertigt den Sünder um Christi willen, indem er im Sünder Glauben schafft.
Dieser Artikel ist Herr und Richter aller Lehre und der Grund der Kirche – und gleichzeitig auch die Zusammenfassung der reformatorischen „soli“
(allein Gott, allein durch Gnade, allein das Wort, Christus allein, allein durch den Glauben, allein die Schrift).
Ich möchte diesen Artikel für uns heute neu erschließen und ihn in seine 5 Bausteine aufteilen.
Wir werden unser ganzes Leben dazu brauchen, um diesen Artikel ganz zu erschließen, weil es für uns schwer ist, das im Glauben anzunehmen.
1. Baustein: Gott
2. rechtfertigt
3. den Sünder
4. um Christi willen
5. indem er im Sünder Glauben schafft.
(den 2. Baustein zum Schluss – das alles entscheidende Wort)
1. Baustein: Gott
Sehr präzise und genau beginnt Luther mit Gott.
Denn es geht um Gott. Gott allein ist der Wirksame. Nur Gott kann rechtfertigen. („solus deus“)
Sonst hat Luther eine starke Christozentrik, d.h. Jesus Christus steht im Mittelpunkt des Glaubens.
Aber wir können nur deshalb an Jesus Christus glauben, weil Gott als der Handelnde im Mittelpunkt steht.
In 2.Kor.5,19 bekennt Paulus: Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit ihm selber.
Und: in Jesus Christus haben wir die Tür gefunden, die uns zu Gott führt.
Es geht um Gott. Ihm allein sei Ehre.
2. Baustein: den Sünder
Die Rechtfertigung geschieht für Sünder.
Gerechte werden nicht gerechtfertigt.
Das Besondere der Rechtfertigungslehre ist, dass eine Störung behoben wird. Und diese Störung ist die Sünde.
Sünde darf hier nicht moralisch verstanden werden.
Es geht nicht um eine negative Sicht des Menschen. Dass der Mensch ein Sünder ist, das ist nicht negativ im moralischen Sinn. Er ist ja deshalb kein schlechter Mensch. Der Mensch bleibt Ebenbild Gottes und Gottes gutes Geschöpf.
Dass wir Sünder sind, ist Feststellung der Realität:
er hat eine Störung in seiner Beziehung zu Gott.
Er lebt nicht im Frieden mit Gott, wie es sein soll.
Das ist nicht moralisch gemeint, kann aber moralische Folgen haben, ist aber kein Urteil über den Menschen.
Diese Störung der Beziehung zu Gott wird in der Rechtfertigung überwunden.
3. Baustein: um Christi willen
Christus ist der Realgrund der Rechtfertigung. („solus Christus“)
Christus ist dabei aber kein 2. Gott und auch keine Konkurrenz für Gott.
Wir können hier besser übersetzen:
um dessen willen, wie er (Gott) sich in Christus gezeigt und gehandelt hat.
Weil Christus alles für unsere Erlösung getan hat, darum rechtfertigt uns Gott – um Christi willen.
4. Baustein: indem er im Sünder Glauben schafft
Es wäre völlig falsch, wenn hier stehen würde:
„sofern er im Sünder Glauben schafft“
oder: unter der Bedingung, dass er Glauben schafft
oder: indem er im Sünder Glauben ermöglicht.
Wir spüren: jedes Wort ist hier in juristisch eindeutiger Sprache zur Geltung gebracht.
Denn Luther fragte: Was gilt? Worauf kann man sich verlassen?
Gott schafft den Glauben:
Durch die promissio, durch die Zusagen und Versprechen im Evangelium.
Der Glaube ist immer ein Geschenk.
Darauf können wir uns nichts einbilden.
Hier sehen wir den Weg, wie Gott rechtfertigt: durch den Glauben. Das ist eine schöpferische Tat, denn Gott schafft den Glauben.
Die promissio, die Zusagen Gottes, sind nicht ein Angebot, das wir annehmen müssen, sondern eine Zusage.
Jesus sagt in Joh.15,16: Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt.
Und Joh.6,44: Niemand kann zu mir kommen, es sei denn, es ziehe ihn der Vater, der mich gesandt hat.
Unser Glaube ist nicht unser Beitrag zur göttlichen Rechtfertigung, sind nicht unser Bemühen und unsere Tat zu unserer Rettung, sondern Gottes Geschenk, das sich in den Zusagen Gottes gründet.
5. Baustein: rechtfertigt
Das Rechtfertigungsgeschehen hat 2 Seiten, die eng zusammen gehören – wie 2 Seiten einer Münze.
Luther spricht hier vom „anrechnen“. Gott rechnet uns die Sünde nicht an
Vergleichbar mit einer Untersuchungshaft:
Sie wird auf die Strafe angerechnet, kommt ihm zugute.
Die 1 Seite: Gott rechnet dir die Sünde nicht an.
Und 2. Anstelle dessen rechnet er dir die Gerechtigkeit Christi an, die dir fehlt.
Zur 1. Seite: Gott rechnet dir die Sünde nicht an.
Gott schaut dich so an, wie wenn es die Sünde nicht gibt.
Gott lässt sich in der Beziehung zu dir durch die Sünde nicht aufhalten und stören.
Das heißt nicht, dass die Sünde weg ist.
Sie bleibt Realität und wird nicht verharmlost.
Es ist aber Gottes Urteil, dass er uns die Sünde nicht anrechnet, weil er uns liebt.
vgl. 1.Kor13: Die Liebe rechnet das Böse nicht zu.
Er rechnet dir aber das an, was er in Jesus Christus getan hat. Das gilt.
Der stellvertretende Tod und die Auferweckung Christi gilt für dich.
Die 1 Seite der Rechtfertigung: die „Gerechterklärung“.
d.h. nicht, dass Gott so tut, als ob es die Sünde nicht gäbe. Das wäre zu wenig. Die Grundlage für Gottes Urteil ist die Gerechterklärung.
Luther sagte zu dieser Erkenntnis:
Als mir das klar wurde, wurde ich fröhlich.
Die 2.Seite ist die Gerechtmachung.
Die Rechtfertigung ist auch eine Neuschöpfung.
Gott erklärt uns für gerecht, weil er uns ändern will.
Aber auch dafür können wir uns nichts einbilden.
siehe 2.Kor.5,17: ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur, eine Neuschöpfung.
Das ist die Gerechtmachung.
Wir bleiben immer zugleich Sünder und Gerechte
„simus iustus et peccator“.
Aber Christus nimmt Wohnung in dir, um dich zu verändern.
Die Gerechtmachung ist darum nicht unser Werk, sondern auch das Werk Christi in uns.
Die Gerechterklärung liegt nicht vor uns, sondern hinter uns.
Gott hat uns um Christi willen gerecht gesprochen, gerechtfertigt.
Die Gerechtmachung liegt vor uns,
das bedeutet: dass wir in der Heiligung immer mehr wachsen, immer mehr und besser in der Liebe tätig werden.
Dieser Artikel ist Herr und Meister aller Lehre.
Dass Luther das so sagen kann, hängt sehr stark mit seiner Unterscheidung zwischen Gesetz und Evangelium zusammen.
Entscheidend am Evangelium ist die frohe Botschaft, das solo verbo, die Zusagen Gottes.
• Von allen Bäumen im Garten darfst du essen.
• Ich bin Jahwe. Ich bin für dich da.
• Euch ist heute der Retter geboren.
• Ich bin bei euch alle Tage.
Diese Versprechen muss man unterscheiden von anderen Texten der Bibel.
Erst diese Zusagen machen die Bibel zur Frohen Botschaft.
Tu diese Zusagen weg, wird die Bibel zu einem Gesetzbuch, das nicht froh machen kann.
Erst weil es das sola verbo gibt, kann Luther auch sagen: sola scriptura – allein die Heilige Schrift.
Das Gesetz ist wichtig. Moral ist auch wichtig,
aber Gesetz und Moral kann keinen Glauben schaffen.
Nur die promissio, die Zusagen Gottes können Glauben schaffen.
Damit kommt für Luther nun auch die Stelle im Galaterbrief (5,1-6) als gewichtige Erkenntnis dazu, die für den Reformationstag als Predigttext ausgewählt ist:
in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Beschneidung und Unbeschnittensein – steht hier stellvertretend für die jüdischen Gesetze, bzw. allgemein: für Gesetz, was man tun soll, und auch: nach dem man beurteilt werden kann.
In der Welt werden wir taxiert, bewertet nach unserer Leistung und Kompetenz. Wir stehen unter dem Gesetz der Beurteilung.
Im Rechtfertigungsgeschehen wird das Gesetz der Beurteilung durchbrochen.
Die Messlatte bei Gott ist nicht unsere Leistung,
sondern: Gott schenkt dir alles.
Das ist das entscheidende Evangelium.
Sicher kommt dann auch dazu:
Gott will etwas von dir. Das ist dann das Gesetz,
aber erst in 2. Linie.
Der Artikel von der Rechtfertigung reißt uns heraus aus dem Gesetz der Beurteilung und verkündet uns die Freiheit, zu der uns Christus befreit hat.
Vor Gott gilt: ich bin wichtig, einfach weil ich da bin.
Ich muss mich nicht vor Gott beweisen und qualifizieren,
ich brauche mich nicht himmelreif schuften,
sondern ich bin gerechtfertigt, einfach weil ich da bin und weil ich von Gott geliebt bin.
So freue ich mich über jeden Schritt der gelingt,
und was nicht gelingt, ruht in der Liebe Gottes.