13. Mai 2018

Von eingehaltenen Zusagen

Serie:
Passage: Jeremia 31,31–34
Dienstart:

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,

jetzt ist es also entschieden: US-Präsident Trump hat das Atomabkommen mit dem Iran aufgekündigt! Die Konsequenzen sind im Moment noch gar nicht absehbar.

Was jedoch sicher ist: Es wird viel politischen Wirbel und viel diplomatisches Engagement geben. Die Finanzmärkte reagieren, die Rohstoffpreise ziehen an. Alles Vorzeichen von nichts Gutem. Europäische Unternehmen stellen sich auf harte Zeiten ein, sie fürchten, von den zu erwartenden amerikanischen Sanktionen gegen den Iran betroffen zu sein. Oder von den Zöllen, die die USA gegen die EU verhängt, wenn Europa an den Verträgen und somit am Atomabkommen festhält.

Die EU versucht zu retten, was vielleicht nicht mehr zu retten ist und eine Vereinbarung zu erzielen, die eine relative Beruhigung in und um den Iran herum verspricht.

 

Warum der amerikanische Präsident so agiert wie er es tut, darüber kann man nur spekulieren. Doch mit der Aufkündigung des Abkommens hat jetzt ein westlicher Staat mit einer politischen Tradition gebrochen, die auch von Diplomaten immer wieder hochgehalten wird: Pacta sunt servanda … Verträge sind einzuhalten, man muss zu seinen Zusagen stehen. Worauf, wenn nicht auf die geschlossenen Verträge sollte man sich sonst in der Weltpolitik verlassen können?

 

In zwischenmenschlichen Beziehungen mag das Wort eines Gegenübers reichen – obwohl auch da schriftliche Vereinbarungen – wie z.B. Eheverträge – Einzug gehalten haben. Doch auf der internationalen Bühne sorgen solche Abkommen wenigstens ein wenig für Stabilität und Verlässlichkeit selbst unter verfeindeten Nationen. Natürlich: Immer wieder wurden Verträge auch gebrochen und wo sie nicht eingehalten wurden, waren Kriege oft nicht weit. Dennoch haben sie ihre Berechtigung und es ist unklug, geschlossene Verträge einseitig zu verwerfen. Von Verlässlichkeit kann man dann jedenfalls nicht mehr sprechen. Worauf auch verlassen, wenn die Zusagen nicht eingehalten werden?

 

Der Prophet Jeremia spricht auch von Verträgen, er nennt sie Bund. Auch er denkt über ihre Einhaltung nach und die Konsequenzen, die es mit sich bringt, wenn man sie einseitig aufkündigt.

So hören wir es in unserem heutigen, der Predigt zugrunde liegenden Text in Jer 31,31–34:

 

31 Siehe, es kommt die Zeit, spricht der HERR, da will ich mit dem Hause Israel und mit dem Hause Juda einen neuen Bund schließen, 32 nicht wie der Bund gewesen ist, den ich mit ihren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen, mein Bund, den sie gebrochen haben, ob ich gleich ihr Herr war, spricht der HERR; 33 sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Hause Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der HERR: Ich will mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben, und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.

34 Und es wird keiner den andern noch ein Bruder den andern lehren und sagen: »Erkenne den HERRN«, denn sie sollen mich alle erkennen, beide, Klein und Groß, spricht der HERR; denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.

 

Der große Prophet Jeremia macht sich Sorgen. Klar, er wird auch der sorgende oder jammernde Prophet genannt. Bei seinen Überlegungen kommt er damals von rund 2600 Jahren zu einem ähnlich ernüchternden Ergebnis wie wir heute. Mehr noch: Er musste sogar feststellen, dass das Einzige, was sein kleines, eigentlich vollkommen unbedeutendes und nach allen Regeln der Kriegs- und Wirtschaftskunst unterlegenes Volk in einer Welt voller kriegführender Großreiche überleben ließ, – der Vertrag mit Gott nämlich – ebenso wegbrach wie die Mauern der Städte Israels und Judas unter den Waffen der feindlichen Nationen.

Ohne diesen Vertrag, ohne den Bund, war Israel verloren. Man muss ergänzen: Jeremia lebte um 600 v.Chr., also in der Zeit knapp vor dem Exil, als die staatliche und territoriale Existenz Israels beendet und das Volk nach Babylon verschleppt wurde. Jeremia redete sich förmlich den Mund fusselig und warnte sein Volk zur Umkehr. Sie hatten alles falsch gemacht, was man nur falsch machen konnte. Und doch waren sie unbeirrt auf ihrem … Irrweg.

 

Was war geschehen? Mit kurzen Worten – Sie, die Menschen, die Israeliten, hatten den Vertrag mit Gott gebrochen. Sie hatten den Vertrag einseitig aufgekündigt. Und durch den Vertragsbruch werden sie schließlich alles verlieren. So ist das oft, wenn man einen Vertrag bricht, vor allem dann, wenn man eigentlich der Schwächere ist.

Und da kommt Jeremia daher und sagt, dass sie keine Angst und Sorge zu haben brauchen, denn es wird einen neuen Vertrag geben. Sogar einen noch besseren. Und das Unglaublichste überhaupt: Gott, der nicht vertragsbrüchig geworden war, ist gewillt an den Verhandlungstisch zurückzukommen um einen neuen, einen besseren Vertrag anzubieten. Ob das im Falle des Atomabkommens mit dem Iran auch so enden wird, scheint allerdings mehr als fraglich.

 

Doch zurück zu Jeremia. Denn dieser neue Vertrag wird nicht geschlossen werden, weil sich die Menschen auf Gott nicht verlassen konnten. Nein, vielmehr war es ja so, dass sich die Menschen auf Gott nicht verlassenwollten! Mal

  • war es ihnen zu unbequem,
  • dann lief etwas nicht so, wie man es sich wünschte;
  • mal fand man es attraktiver, einen Gott zum Anfassen zu haben,
  • ein andermal war man einfach mit anderen Dingen zu beschäftigt, um noch Kontakt zu halten;
  • und dann gab es noch diese Zeiten, in denen man meinte, selbst Gott spielen zu müssen.

Kommt uns das nicht auch bekannt vor? In unserer Welt? In unserem Leben? Länger schlafen am Sonntag, Pläne für die man betete gehen nicht auf, der Stammtisch ruft just dann, wenn es eine kirchliche Veranstaltung gibt und überhaupt ist man ja selbst der beste und hat alles alleine geschafft.

 

Jeremia schaute auf ein Volk, das den Draht zu Gott verloren hatte, das nicht hören wollte – auch nicht auf seine Warnungen. Er litt darunter und teilte das Schicksal seiner Brüder und Schwestern. Obwohl er es besser wusste, obwohl er ihnen mit seinen und Gottes Worten in den Ohren lag bis zur Erschöpfung, obwohl er alles dafür tat, ihnen klar zu machen, wohin die Reise ohne Gott geht – nämlich ins Exil -, vermochte er es nicht, gegen diese Wand aus Ignoranz und Gleichgültigkeit, Hochmut und Überheblichkeit anzukommen. Diesem Volk war einfach nicht zu helfen …

Oder doch …?

Gott lässt sich nicht so einfach beiseiteschieben. Vor allem dann nicht, wenn es um etwas geht, an dem er hängt. Etwas, dass er – wie wir es später im NT lesen können – bis in den Tod hinein liebt. Gott ist leidensfähig, auch das wissen wir seit diesem Mann aus Nazareth. Und da braucht es etwas mehr als ein paar hundert Jahre Beziehungskrise und 39 Peitschenhiebe, um ihn loszuwerden.

Der Mensch mag vertragsbrüchig werden, für Gott gilt weiterhin: Pacta sunt servanda – Verträge sind einzuhalten, man muss zu seinen Zusagen stehen!Und wenn es sein muss, eben einseitig. Was für uns unvorstellbar und jenseits jeglicher Vernunft erscheint, nämlich dem Vertragsbrüchigen treu zu bleiben, das erhebt Gott nun zu seinem göttlichen Plan. Er lässt sich also etwas einfallen.

Und die wahnwitzige Idee, auf die Gott kommt: Er schließt einen neuen Vertrag, einen neuen Bund – und zwar – das ist wichtig zu betonen, um christliche Überheblichkeit gegenüber dem Judentum entgegenzutreten–ohneden alten aufzuheben! Das mag auf den ersten Blick nicht besonders phantasievoll sein, aber dieses Mal ist es schon etwas anderes. Er schreibt das, was den Menschen an ihm festhalten lässt – Glaube, Liebe, Hoffnung -, nicht mehr auf zwei zerbrechliche Tafeln, sondern mitten ins Herzundin den Verstand!

Von dort ist es nicht mehr wegzudenken, denn es wird ein Bestandteil unserer Existenz, durchzieht jede Faser unseres Lebens. Der Bund wird zur Verbundenheit. Jesus hat es später so formuliert: „Bleibt in mir und ich in euch.“ (Joh 15,4)

Sie sollen mein Volk sein und ich will ihr Gott sein“, so sagt es Jeremia. Er und sein Gott gehen davon aus, dass das dann auch so bleibt … auch von unserer Seite aus – für immer.

 

Nun wäre es wohl unredlich, zu behaupten, das sei schon Wirklichkeit. Wenn ich mir die Welt anschaue, wenn ich mir mein Leben vor Augen halte, dann merke ich doch recht schnell, dass nicht immer Gottes Gesetz mein Herz und meinen Verstand regiert. Ich bin, wie sind also  weit davon entfernt, unseren Teil des Vertrags einzuhalten. Auch untereinander.

 

Welche Folgen die Aufkündigung des Atomabkommens auch haben mag, es ist ein weiterer Beweis dafür, dass es nichtsin unserer Menschenweltgibt, dessen wir uns sicher sein können. Deshalb glaube ich, Jeremias Worte sind noch immer eine Verheißung. Sie werden eines schönen Tages Wirklichkeit, … aber sie sind es leider noch nicht. Es scheitert an uns. Nicht nur an Präsident Trump. An jedem einzelnen von uns. Auch und zuvorderst an mir selbst. Hier haben wir alle noch Luft nach oben.

 

Trotzdem brauchen wir darüber nicht enttäuscht zu sein. Denn in der Verheißung des Jeremia liegt doch eine unglaublich wichtige Zusage. Es komme, was wolle: Gott hält an uns fest, steht uns bei!Gerade darin sollte unsere Motivation liegen, es der Welt hier und da einmal zu zeigen, was es heißt, Kinder Gottes, Salz der Erde zu sein. Zu zeigen, was es heißt, einen Vertrag in der Tasche zu haben, den niemand aber auch wirklich niemand in Frage stellen und schon gar nicht aufkündigen kann. So, wie es Paulus im Röm (8,38f) schreibt: „Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.“ … Also, weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur kann uns von Gott scheiden. Halleluja. Wenn das keine Zusage ist, liebe Gemeinde, dann weiß ich auch nicht. Da steht sozusagen die größte Supermacht des Universums hinter uns. Und so sagt auch Jesaja (43,5) folgerichtig das Wort Gottes: „Fürchte dich nun nicht, denn ich bin bei dir.

Wenn schon vieles andere in unserem Leben im Fluss ist und nicht konstant bleibt, so bleibt diese Zusage bombenfest bestehen. Sie hat Bestand. Sie ist fix. Darauf können wir uns verlassen. Unbedingt. Und wir wären dumm, es nicht zu tun und von unserer Seite aus die Zusage zu annullieren. Gott hält sich an seine Zusage. Halten wir uns auch an den Vertrag, den er mit uns geschlossen hat. Es wird uns zugutekommen. Für ein Leben in Liebe und Freiheit.

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