13. Januar 2019

Ansprache zur Wieder-Amtseinführung als Lektor

Serie:
Dienstart:

Liebe Schwestern und Brüder, liebe Gemeinde,

nun steht also noch die Frage im Raum, was mich zu meinem Dienst als Lektor motiviert? Das ist eigentlich ganz einfach beantwortet: Es macht mir Freude, über das Wort Gottes zu sprechen und es Euch näher zu bringen. Dabei versuche ich immer, nicht nur das Wort theoretisch auszulegen, sondern es in unsere Zeit zu bringen und einen Bezug zu Eurem und meinem Leben herzustellen. Jedenfalls ist das mein Ansinnen. Und ich hoffe, es gelingt mir auch. Wenn es mal nicht so ist, so freue mich über ein Feedback genauso wie über eines, wenn es gut gelungen ist. Denn nur dank des ehrlichen Feedbacks kann ich mir sicher sein, dass mein Ansinnen gelungen ist oder wo ich etwas verbessern muss.

Danke.

… Nein, ich bin doch noch nicht fertig. Lassen sie mich kurz noch erläutern.

In meinen Predigten bin ich manchmal auch politisch. Politisch ist meine Predigt gerade deswegen, WEIL ich Christ bin. Auch Jesu Predigt war zu allererst immer auch eine politische Predigt. Ich weiß, das ist heute eher ungewöhnlich und manchen von euch stört oder bestenfalls irritiert das auch. Ich sehe mich dabei aber im Geiste und der Nachfolge Dietrich Bonhoeffers, der mich maßgeblich beeinflusst hat. Bereits im April 1933 hat er unter dem Eindruck des salonfähig gewordenen Antisemitismus öffentlich gefordert: „Nur wer für die Juden schreit darf gregorianisch singen". Das war eine Antwort auf die Aussage des großen reformierten Theologen Karl Barth, der meinte, man solle sich als Kirche bewusst aus der Politik heraushalten und sich ein Beispiel an den Benedktinermönchen nehmen, die unbeirrt von den Vorgängen um sie herum ihre gregorianischen Choräle sangen. Bonhoeffer forderte damit vielmehr genau das Gegenteil, er forderte etwas, das wir heute als Öffentliche Theologiekennen: Er machte das in dem in Abwandlungen vielzitierten Satz: „Man soll nicht nur die Opfer unter dem Rad verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen fallen".

„Dem Rad der Geschichte in die Speichen fallen“. Dieser Satz hat mich und mein Denken, Handeln und Predigen wirklich über die Maßen beeinflusst. Was bedeutet das? Das bedeutet für mich, dass man Dinge beim Namen nennen muss. Man muss auch gegen gesellschaftspolitische Fehlentwicklungen auftreten. Man muss Position beziehen und seine Meinung vertreten, auch wenn es unpopulär ist und die Mehrheit im Lande es anders sieht.

Der konkrete Anlassfall in den letzten Jahren war die sogenannte „Asylkrise“. Es ist einfach und populär zu schimpfen. Es ist einfach und populär nichts zu machen oder sogar die Rahmenbedingungen so zu verschärfen, dass den Menschen kaum eine Wahl bleibt und sie schließlich etwas tun, was man immer schon gesagt hat, das passieren wird. In der Psychologie nennt man das eine Self Fulfiling Prophecy, also eine selbsterfüllende Prophezeiung: Man prophezeit etwas und tut alles dafür, um am Ende richtig zu liegen. Zynisch? Ja! … Und trotzdem wird es hierzulande und auch weltweit in immer stärkerem Ausmaß getan. Und dagegen soll sich Kirche nicht stellen? Da soll ein Prediger nicht Wort ergreifen? „I have a dream“ hat Martin Luther King, ein baptistischer Pastor, 1963 gesagt und den Rassenwahn in den USA angeprangert.

Ja, ich bin felsenfest der Überzeugung, dass sich Kirche, dass sich der Prediger einer Kirche nicht aus dieser Welt heraushalten darf. Man muss das Wort ergreifen, dem Rad der Geschichte in die Speichen fallen.

Das bedeutet aber auch, dass man sich verletzt. Jeder der das bei seinem Fahrrad einmal probiert hat, wird das bestätigen können. So ist es auch mir ergangen. Mein Einsatz für Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten und mit oft nicht vielmehr als ihren am Leib getragen Kleidern hier ankamen, wurde mir übel genommen. Auch von politischer Seite, wo man es nicht erwartet hätte. Auch unsere Pfarrgemeinde hat sich ob ihres Einsatzes für Asylwerber blutige Finger geholt, weil der Herr Bürgermeister der Stadtgemeinde Voitsberg uns seither bestenfalls ignoriert. Man merkt das daran, dass er nicht einmal zu unserem 80-jährigen Jubiläumsfest gekommen ist. Das ist traurig und auch irgendwie armselig, denn es waren wir und die vielen sich einbringenden Ehrenamtlichen, die dafür sorgten, dass hier bei uns nicht das passiert, wovor alle gewarnt haben.

Wir sind eine Volkskirche. Damit repräsentieren unsere Gemeindeglieder auch die Gesellschaft. Das ist gut so und das schätze und begrüße ich sehr. Eine Volkskirche wie unsere Evangelische Kirche ist keine sektiererische Kirche, wo kein Platz für Andersdenkende ist. Es ist gut, dass das gesamte politische Spektrum abgedeckt wird, weil damit Kirche etwas leisten kann, was zunehmend gefragt und nötig ist: Eine Brücke zwischen den Lagern schlagen. Das gelingt mal besser, mal schlechter.

Ich respektiere, ja ich schätze den Pluralismus in unserer Kirche sehr. Und daher weiß ich auch, dass es viele unter unseren Gemeindegliedern gibt, die dem Bürgermeister zustimmen und unsere Tätigkeit mit Argusaugen beobachtet haben. Ich verstehe das, weil es viele Gruselgeschichten, Gerüchte, Falschmeldungen ja sogar Absurditäten in diesem Themenbereich gibt. Die Stammtische sind voll von Zeitgenossen, die noch nie ein Wort mit einem der Betroffenen gewechselt haben, aber alles besser wissen und einfache Lösungen für komplexe Probleme nur so aus dem Ärmel schütteln. Aber das echte Leben ist eben sehr kompliziert.

Kritik wird auch geübt, dass wir Profiteure der „Asylindustrie“ wären. Aber wissen Sie was: Wir haben alles ehrenamtlich gemacht, wir haben Zeit und Ressourcen investiert und keinen Cent dafür bekommen. Wollten wir auch nicht, denn uns und auch mich hat einzig und allein das Evangelium geleitet. Die Aufforderung unseres Herrn für die da zu sein, für die sonst keiner da ist.

Wenn man DAFÜR angefeindet wird, dann muss ich danke sagen, denn das ist eine große Ehre, stehen wir damit in bester Nachfolge unseres Herrn, der sich für die Außenseiter der Gesellschaft eingesetzt hat. Öffentliche Theologie, ganz so, wie es Bonhoeffer gemeint hat.

Ja, ich bin politisch in meinen Predigten. Und ja, als großer Fan des standhaften Pfarrers Bonhoeffer bin ich der felsenfesten Überzeugung, dass Kirche nur dann Kirche ist, wenn sie sich nicht von der Welt abkapselt, sondern auch eine Meinung hat und diese vertritt. Die Trennung von Kirche und Politik ist gut und vor allem sehr wichtig. Wenn es aber um die Grundwerte unserer Gesellschaft geht, dann muss der Schmied auch etwas dazu sagen und nicht nur die Schmiedls reden lassen. Denn diese Werte unserer Gesellschaft, das sind zutiefst christliche Werte! Daher braucht es die politische Stimme der Kirche um die Brücke zwischen den Lagern zu bauen und ihre Rolle als Kitt der Gesellschaft zu erfüllen.

In diesem Sinne sehe ich auch meine Aufgabe als Lektor und auch als Kurator. Ich ergreife dabei nicht Partei für eine bestimmte politische Gruppierung, sondern Partei für die Menschen, für die Schwachen und die, die selbst keine Stimme habe. Es geht mir darum, Fehlentwicklungen aufzuzeigen. Und zwar nicht Fehlentwicklungen, die ich aus meiner persönlichen Sicht sehe, sondern Entwicklungen, die gegen das Evangelium laufen. Nicht ein Parteiprogramm, sondern das Evangelium von Jesus Christus ist die Botschaft, die ein Prediger zu verkünden hat. Und wissen sie was? Diese Botschaft ist oft unpopulär, meist auch unangenehm und jedenfalls herausfordernd. Das wusste schon unser Herr, als er in Mt 10 folgendes seinen Jüngern mitgab:

„Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Hütet euch aber vor den Menschen; denn sie werden euch […] geißeln […]. […] Sorgt nicht, wie oder was ihr reden sollt; denn es wird euch zu der Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn nicht ihr seid es, die da reden, sondern eures Vaters Geist ist es, der durch euch redet.“

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